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20 Jahre Bundesliga 1997-2017

De-Bruyne-Deal stellt alles in den Schatten  

De-Bruyne-Deal stellt alles in den Schatten  

20 Jahre, 20 Geschichten – Die AZ/WAZ-Serie zum Bundesliga-Jubiläum des VfL (11): Die Transfer-Rekorde  

Es gibt Dinge, auf die hätten nicht einmal Wolfsburger in der Aufstiegseuphorie 1997 gewettet. Etwa, dass der VfL 20 Jahre nonstop in der Bundesliga spielt. Oder dass der VfL mal deutscher Meister wird. Oder dass der VfL eines Tages alle Transfer-Rekorde im Fußball-Oberhaus hält. Und sogar das ist eingetreten. 52 Millionen Gewinn Welcher Bundesligist kassierte die höchste Ablöse aller Zeiten? Der VfL 2015 mit 74 Millionen Euro (alle Summen nach transfermarkt.de) beim Verkauf von Kevin De Bruyne an Manchester City. Welcher Bundesligist erzielte den bislang höchsten Gewinn bei einem Transfer? Ebenfalls der VfL bei De Bruyne: Der Belgier war 2014 für 22 Millionen vom FC Chelsea gekommen, Wolfsburgs Plus betrug also 52 Millionen Euro – mehr, als der zweitteuerste Transfer an Ablöse in die Kasse eines Bundesligisten spülte (Schalke strich 2016 für den Verkauf von Leroy Sané an ManCity 50 Millionen ein). Und welcher Bundesligist zahlte die höchste Ablöse der Liga-Geschichte? Wiederum der VfL, der für den 2015 von Schalke 04 gekommenen Julian Draxler inklusive des im vergangenen Dezember beim Weiterverkauf an Paris St. Germain fällig gewordenen Nachschlags 43 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben soll. 

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Doppelter Transfer-Rekord: Für den Verkauf von Kevin De Bruyne an Manchester City kassiert der VfL die höchste Ablöse und macht den größten Gewinn der Bundesliga-Geschichte. Imago 16399357/23584211 

Deals dieser Größenordnung kann sich vor 20 Jahren in Wolfsburg niemand vorstellen. Nicht mal im Traum. Der Etat für die erste Bundesliga-Saison des VfL beträgt knapp 18 Millionen Mark, weniger als neun Millionen Euro. Manager Peter Pander ist froh, kaum eine Million für Neuverpflichtungen ausgegeben zu haben. Sein Königstransfer im Sommer 1997: US-Boy Claudio Reyna kommt für eine Leihgebühr von umgerechnet rund 750.000 Euro von der Leverkusener Ersatzbank – etwa ein Prozent der Summe, die 18 Jahre später für De Bruyne auf das VfL-Konto fließen wird...

Die etablierte Konkurrenz kann damals noch in ganz anderen Dimensionen investieren: So zahlt Meister Bayern für Giovane Elber, Bixente Lizarazu, Thorsten Fink und Michael Tarnat knapp 16 Millionen Euro. 

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Der erste Königstransfer: Nach dem Bundesliga-Aufstieg wird Claudio Reyna von Bayer Leverkusen ausgeliehen. Imago 00017666  

Doch Wolfsburg holt auf. Nicht nur sportlich. Bereits 1999 erschließt sich der VfL mit der erstmaligen Qualifikation für den UEFA-Cup die zusätzliche Einnahmequelle Europa, 2002 ist mit dem Umzug aus dem alten Stadion am Elsterweg in die neue VW-Arena auch die Heimspielstätte wettbewerbstauglich. Und der entscheidende Schritt, auch wirtschaftlich im Konzert der Großen mitspielen zu können: Aus der Fußballabteilung als einer von 28 Sparten eines Großvereins wird 2001 die VfL-Wolfsburg-Fußball-GmbH mit 90-prozentiger Beteiligung von Großsponsor VW.

Wachsende Finanzkraft 

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Der erste Millionen-Transfer: 1998 kommt Andrzej Juskowiak von Borussia Mönchengladbach. Imago 00070725 
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Ein Quantensprung: 2003 lässt sich Wolfsburg (l. Trainer Jürgen Röber) die Verpflichtung von Andrés D‘Alessandro 9 Millionen Euro kosten. Imago 00870719


Die wachsende Finanzkraft eröffnet dem VfL auch auf dem Transfermarkt ganz neue Möglichkeiten. Drei Jahre nach dem ersten Millionen-Transfer (Andrzej Juskowiak 1998 für 1,25 Millionen Euro) lassen die Wolfsburger ligaweit erstmals aufhorchen, blättern 2001 für Robson Ponte (1,25), Miroslav Karhan (2,75), Diego Klimowicz (3) und Martin Petrov (3,25) über 10 Millionen Euro hin.

Ein Quantensprung folgt 2003: Pander sichert dem VfL die Dienste von Argentiniens Top-Talent Andrés D‘Alessandro – der 9-Millionen-Deal mit River Plate Buenos Aires zählt noch heute zu den 15 teuersten Wolfsburger Neuverpflichtungen.

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Noch ein Transfer-Rekord: Für Julian Draxler sollen insgesamt 43 Millionen Euro an Schalke geflossen sein. Imago 26618885 
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Satter Gewinn: Edin Dzeko wechselt 2011 für 37 Millionen Euro zu ManCity – für ihn hatte der VfL 2007 4 Millionen Ablöse an FK Teplice gezahlt. Imago 09612285  

2005, als transfermarkt.de erstmals die Marktwerte der Bundesliga-Kader ermittelt, wird Wolfsburg mit 66,05 Millionen auf Rang neun geführt. 2008 stößt der VfL in eine neue Dimension vor, angelt sich für 14 Millionen den italienischen Weltmeister Andrea Barzagli – die erste Ablöse in zweistelliger Höhe. 2009 klettert Wolfsburg in der Marktwert- Tabelle mit 155,88 Millionen auf Rang zwei, 2010 sind es schon 210,73 Millionen, und 2015 erreicht der VfL mit 265,43 Millionen seinen bisherigen Zenit. 

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2008 wird es zweistellig: Für 14 Millionen angelt sich der VfL Weltmeister Andrea Barzagli von US Palermo. Imago 03827984 
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Gutes Geschäft: Martin Petrov, 2001 für 3,25 Millionen Euro von Servette Genf geholt, verabschiedet sich 2005 zu Atletico Madrid – Ablöse: 10 Millionen. Imago 01630285

Aber die Wolfsburger Verantwortlichen verstehen sich nicht nur auf Großeinkäufe. Schon lange, bevor der De-Bruyne-Deal alles in den Schatten stellt, gelingen auch spektakuläre Transfergewinne: 2001 sind es bei Zoltan Sebescen (zu Bayer Leverkusen) gut 5,5 Millionen, 2005 bei Martin Petrov (zu Atletico Madrid) knapp 7 Millionen – und 2011 bei Edin Dzeko (zu ManCity) sogar satte 33 Millionen Euro.

Nächsten Mittwoch: Die Torhüter  

In dieser Woche vor 20 Jahren  

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„Hatten vier, fünf Totalausfälle“: VfL-Trainer Reimann. Imago 09627987

Nach dem 5:1 im vorangegangenen Zweitliga-Heimspiel gegen Schlusslicht RW Essen sollte es doch am 6. April 1997 auch gegen den Vorletzten VfB Oldenburg nur um die Höhe des Erfolges gehen, oder? Solche Gedankenspiele machen Peter Pander fuchsig. „Das ist eines unserer schwersten Saisonspiele. Wir sind ausgemachter Favorit, der Gegner steht mit dem Rücken zur Wand“, mahnt der VfL-Manager. „Das kann ganz haarig werden.“

Zum Glück haben die Wolfsburger einen Blondschopf mit Torinstinkt. Bevor Roy Präger drauflos ballert, verhallen Panders warnende Worte aber scheinbar ungehört. Vor allem die verletzungsbedingt umgebaute VfL-Abwehr wirkt ungewohnt unorganisiert. Stefan Meißner gleicht zwar die erste Führung der Oldenburger postwendend aus, doch das zweite VfB-Tor bleibt zunächst unbeantwortet. Erst nach dem Seitenwechsel und Gelb-Rot gegen den agilen Gäste-Flügelspieler Sandi Valentincic übernehmen die Grün-Weißen die Kontrolle.

Dann packt Präger einen 18-Meter-Strahl zum 2:2 aus, anschließend die Wolfsburger die Brechstange. Ohne Erfolg. In über 20 Minuten bringen sie gegen den dezimierten VfB nichts mehr zustande. Wie der Großteil der 5000 Zuschauer geht auch Willi Reimann unzufrieden nach Hause. „Wir hatten vier, fünf Totalausfälle“, schimpft der VfL-Trainer, fügt sauer hinzu: „Oldenburg war die bessere Mannschaft, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.“

Auch in der Tabelle, der Konkurrenz sei Dank. Weil die ebenfalls immer mal wieder patzt, bleibt der VfL als Dritter auf einem Aufstiegsplatz. „Noch ist nichts passiert, also sollten wir nicht in Hektik verfallen“, beschwichtigt Präger. Er weiß aber: „Jeder sollte sich an die eigene Nase fassen, mehr Leistung bringen.“ Die Gelegenheit dazu bietet sich im nächsten Spiel beim VfB Lübeck.

„Dimensionen von heute waren bis 2006 undenkbar“ 

Peter Pander (65) – von 1991 (Einstieg als nebenberuflicher Ligaobmann beim damaligen Drittligisten) bis 2004 (Rücktritt als hauptamtlicher Manager des Bundesligisten) war sein Name wie kein anderer mit dem Erfolg des VfL verbunden.

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Die Bundesliga war 1997 für Aufsteiger Wolfsburg nicht nur sportlich ein Abenteuer, sondern auch wirtschaftlich...

Außer dass die Fernsehgelder dazukamen, hatte sich für uns im Vergleich zur zweiten Liga ja nicht viel geändert. Wir hatten nur einen ganz kleinen Etat, konnten wirtschaftlich in keinster Weise mit der Konkurrenz mithalten. Unsere Hoffnung, da durchzukommen, war mehr als klein. Wir mussten aus wenig viel machen – aber das hat ja großartig funktioniert.

Ihr erster Königstransfer war Claudio Reyna – Sie mussten Leverkusens Manager Reiner Calmund von einem Ratenzahlungsmodell überzeugen...

Es hat sicherlich geholfen, dass wir aus Zweitliga-Zeiten einen Kooperationsvertrag mit Leverkusen hatten und freundschaftlich verbunden waren. Aber auch für das Leihgeschäft mussten wir uns strecken, Reyna später allerdings auch nach Glasgow ziehen lassen.

2003 konnten Sie sich bei der Verpflichtung von Andrés D‘Alessandro schon in ganz anderen Dimensionen bewegen...

Das neue Stadion war fertig, wir hatten uns in der Bundesliga etabliert – um wieder ein Stück voranzukommen, galt es nun, einen Transfer dieser Größenordnung zu stemmen. Bei der Realisierung kam uns die Verbindung zu River Plate Buenos Aires zugute. Aber wir mussten ja auch den Spieler von Wolfsburg überzeugen – er hatte damals eher Barcelona oder Juventus auf dem Zettel...

Was sagen Sie zu der wirtschaftlichen Entwicklung des VfL in 20 Jahren Bundesliga?

Die heutigen Dimensionen hätte ich mir zu meiner Zeit nicht ausmalen können, eigentlich waren sie bis 2006 undenkbar. Die entscheidende Zäsur war, dass Martin Winterkorn den Konzern-Vorsitz übernahm. Das hat die Einstellung der VW-Führung zum Fußball grundlegend geändert. Seitdem flossen die Mittel nach der Devise „Wenn wir etwas machen, dann richtig!“