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20 Jahre Bundesliga 1997-2017

Wie der Profifußball bei VW einzog

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So ging es los: Am 11. November 1998 enthüllte die WAZ, dass VW Mehrheitseigner der VfL-GmbH werden könnte, am 14. Juni 2000 gab der DFB grünes Licht. Der erste VW-Chef, derauch Fußball-Chef ist: Martin Winterkorn. Imago Simon/03679610

20 Jahre, 20 Geschichten – Die AZ/WAZ-Serie zum Bundesliga-Jubiläum des VfL (15): Der Weg zur GmbH

Dass der VfL Wolfsburg ein VW-Verein ist, geht nach 20 Bundesliga-Jahren als Formulierung leicht von der Hand. Was kaum einer weiß: Volkswagen und Fußball, das war jahrzehntelang ein eher schwieriges Verhältnis. „Wir sind“, so der damalige VW-Kommunikations-Chef Klaus Kocks, „zur Bundesliga gekommen, wie die Jungfrau zum Kind.“ Anders gesagt: Die Autobauer und Motorsport- Fans im Hochhaus am Mittelland- Kanal konnten 1997 mit Fußball nichts anfangen. Konzernchef Ferdinand Piëch war nur einmal im Stadion, die Trikotwerbung war noch ein Jahr zuvor von einer Hamburger PR-Agentur abgewickelt worden, der Etat war mit rund 18 Millionen Mark im Jahr im Liga-Vergleich mickrig. Den Profi-Fußball zu unterstützen, das galt innerhalb des VW-Konzerns als manchmal eher lästige Standort-Verpflichtung. Ein Einstellung, die sich in zwei Etappen änderte: 2001 und 2007.

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Kämpfte für die VW-Mehrheit in
der VfL-GmbH: Der 2012 verstorbene
Ex-Volkswagen-Arbeitsdirektor
Karl-Heinz Briam.

2001 wurden die VfL-Fußballer zur VW-Tochter-GmbH, was weniger daran lag, dass VW plötzlich sein Herz für die Kicker entdeckt hatte, sondern eher daran, dass der Profi-Fußball und der VfLRestverein eine gütliche Scheidung anstrebten: Die Profis fühlten sich durch die komplizierten Entscheidungswege eines 28-Sparten-Vereins gehemmt; die anderen Sportarten hatten Angst vor dem finanziellen Risiko, das der Profi-Fußball mit sich bringt.

Gallionsfigur Briam

Als der DFB 1998 die Teilnahme von Kapitalgesellschaften am Bundesliga- Spielbetrieb grundsätzlich erlaubt hatte, schrieb er vor, dass Firmen, Sponsoren oder Investoren NICHT die Mehrheit haben dürfen – die muss beim Verein liegen. Eine Ausnahmeregelung wurde für den TSV Bayer 04 Leverkusen eingeführt, um dessen Existenz als Teil der Bayer AG nicht zu gefährden. Der damaligen VfL-Fußball-Führung um Wolfgang Heitmann, Bernd Sudholt, Wolfgang Hotze und Manager Peter Pander fiel aber schnell auf, dass die „Lex Leverkusen“ auch für den VfL gelten könnte. Im Februar 1999 wurde der entsprechende Antrag gestellt und dann beim DFB fast ein Jahr lang diskutiert.

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Pillen gegen Autos: 2001 standen sich mit Bayer Leverkusen (l. Ulf Kirsten) und dem VfL (M. Charles Akonnor, r. Waldemar Kryger) erstmals zwei Bundesligisten gegenüber, die mehrheitlich zu einem Unternehmen gehörten. Imago team 2/00357730

Im Januar 2000 lehnte der DFB-Liga-Ausschuss die Wolfsburger Idee einer VW-Mehrheit erst einmal ab. „Mit der Begründung, dass die Ausnahmeregelung nur für Leverkusen gedacht war“, erinnert sich Sudholt. Weil sich der VfL aber formal weiter im Recht sah, nahm er den Kampf auf. Mit Ehrenpräsident, DFB-Kenner und Ex-VW-Arbeitsdirektor Karl-Heinz Briam als Gallionsfigur machte der VfL dem DFB-Vorstand klar, dass die Formulierungen der „Lex Leverkusen“ (unter anderem „20 Jahre dauerhafte Unterstützung“) auch für den VfL und VW gelten müssen. „Briam“, so Sudholt, „war damals der wichtigste Mann“. Der Mann, der dafür sorgte, dass es ab 2001 neben Bayer Leverkusen einen zweiten Konzern-KIub in Deutschland gab.

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Lange kein einfaches Miteinander: Der VfL und Volkswagen
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Sie brachten VfL-GmbH und VWMehrheit auf den Weg: Die Fußball-Vorstände Bernd Sudholt und Wolfgang Heitmann mit Manager Peter Pander (v. l.). Foto: Boris BaschIn

VW machte nicht ernst

Sportlich durchgestartet ist der VfL deswegen aber noch lange nicht, der Etat und die Ergebnisse blieben im Liga-Mittelfeld. „Wenn VW mal ernst macht“, unkte schon damals Franz Beckenbauer, „wird Wolfsburg auch ein richtiger Konkurrent“. VW machte aber vorläufig nicht ernst, auch mit Bernd Pischetsrieder an der Konzernspitze nicht. Erst als mit Martin Winterkorn 2007 zum ersten Mal ein Fußball- Fan den Vorstandsvorsitz der Autobauer übernahm (und mit Kommunikationschef Stephan Grühsem einen weiteren Fußball- Freund mitbrachte), wurde es ernst – mit den bekannten Folgen. Felix Magath, dem FC-Bayern- Aufsichtsratsmitglied Winterkorn bestens bekannt, wurde Trainer, Wolfsburg wurde Meister. Und mit den Investitionshilfen aus dem VW-Hochhaus waren später Transfers möglich, an die zu Zeiten des Aufstiegs keiner gedacht hatte. Allerdings: Der VfL kaufte nicht nur groß ein – etwa Kevin De Bruyne, André Schürrle oder Julian Draxler – sondern refinanzierte sich auch immer wieder über Verkäufe jenseits der 30-Millionen- Euro-Grenze.

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Sein einziger Stadionbesuch: VW-Chef Ferdinand Piëch 1997 beim entscheidenden Aufstiegsspiel gegen Mainz.
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Regelmäßig beim VfL zu Gast: VW-Chef Matthias 
Müller. Foto: matthIas LeItzke

Mittlerweile ist der Fußball bei VW fest verankert, auch die Krise rund um den Abgas-Skandal stellt ein prinzipielles Engagement der Autobauer für ihre Fußball-Tochter nicht in Frage. Winterkorn- Nachfolger Matthias Müller legte sich schon vor einem Jahr fest: „Wir stehen grundsätzlich zu unserem Engagement beim VfL. Der VfL ist ein wichtiger Identifikationspunkt für Wolfsburg und unsere Mitarbeiter.“

In dieser Woche vor 20 Jahren  

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Raus mit dem Jubel! Der VfL fertigte Frankfurt mit 4:1 ab. 
Imago Rust/26167264

Wenn es allein um den Briefkopf ginge, hätte Eintracht Frankfurt die Favoritenrolle für die Partie beim VfL sicher. Deutscher Meister 1959, DFB-Pokalsieger 1974, 1975, 1981 und 1988, dazu UEFa-Cup-Gewinner 1980 – mit diesen sechs Titeln hat der Traditionsverein aus Hessen genau sechs mehr als die Wolfsburger. Die Tabelle spricht jedoch eine ganz andere Sprache, dort degradiert der um acht Plätze und Punkte besser dastehende VfL die Frankfurter zum außenseiter. Deren Trainer Horst Ehrmantraut lobt den Gegner in den höchsten Tönen: „Wolfsburg hat neben Lautern das heim- und spielstärkste Team der 2. Liga.“

Für beides liefern die Grün-Weißen am 3. Mai 1997 vor 8100 euphorisierten Zuschauern eindrucksvolle Beweise. Nach nur sieben Minuten haben sie schon vier Ecken auf dem Konto, nach elf Minuten dank Piotr Tyszkiewicz auch ein Tor. Dass Frankfurts Olaf Janßen überraschend ausgleicht (27.) – nicht mehr als eine Randnotiz. Sechs Minuten später bringt Holger Ballwanz, der zudem Eintracht-Star Maurizio Gaudino abmeldet, die Gastgeber erneut in Führung. Detlev Dammeier verwandelt noch einen umstrittenen Foulelfmeter (68.), Chad Deering vollendet eine Traumkombination (75.) – fertig ist der verdiente 4:1-Sieg.

Der Rest ist Jubel.

Die Stimmung auf den Rängen ist „fast wie in England“, schwärmt Dribbelkünstler Roy Präger. Und auch Willi Reimann lässt sich von den durchs VfL-Stadion schwappenden La-Ola- Wellen mitreißen. „Toll“, „wunderbar“, „super“ – der sonst so coole Trainer macht verbale Luftsprünge. Währenddessen skandieren die Fans „aufsteigen!“ und „Nie mehr 2. Liga!“. Doch ganz so weit ist es noch nicht. Sechs Spiele sind‘s noch, und Ballwanz denkt schon ans nächste: „Ein auswärtssieg wäre jetzt nicht schlecht – warum nicht gleich beim SV Meppen?!“

„VW-Minderheit wäre keine Lösung gewesen“

Seit 1997 ist er der Mann fürs Geld – erst als Finanzverantwortlicher im Fußball-Vorstand des VfL, dann als Geschäftsführer der VfL-GmbH. Mehr noch: als ehemaliger Leiter des VW-Steuerwesens ist und war Wolfgang Hotze (64) der wichtigste Verbindungsmann zwischen VW und seiner Fußball-Tochter.

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War Volkswagen von Anfang an begeistert, als beim VfL die Idee entstand, aus dem Profi-Fußball eine VW-Tochter zu machen?

Es gab schon Diskussionen. Wichtig war, dass der damalige VfL-Aufsichtsratschef und VW-Markenvorstand Lothar Sander einen guten Draht zum Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch hatte. Das hat vieles erleichtert.

Was hätte es denn für den VfL bedeutet, wenn der Verein Mehrheitseigner geworden wäre – und VW nur Minderheitseigner?

Diese Variante stand eigentlich nie wirklich zur Debatte. Es ging darum, dass der Gesamtverein nicht das finanzielle Risiko für den Profifußball tragen wollte. Da wäre eine VW-Minderheitsbeteiligung keine Lösung gewesen.

Und sportlich?

Schwierig zu sagen, aber es wäre für den VfL sicherlich schwerer geworden, sich so in der Bundesliga zu etablieren. Denn ohne VW finanzielle Unterstützung in ausreichendem Maße zu bekommen, ist an einem Standort wie Wolfsburg alles andere als leicht.

Wenn die 50+1-Regel fällt, dürfen sich alle Klubs Mehrheitseigner aus der Wirtschaft suchen. Würde der VfL damit einen Vorteil verlieren?

Nein. Und ich glaube auch nicht, dass 18 von 18 Erstliga- Klubs so einen Partner ohne weiteres fänden. Und selbst wenn, müssen ja die Vereinsgremien auch erst einmal dafür sein.

Sie sind dienstältester VfL-Fußball- Funktionär – wie lange bleiben Sie dem Klub noch erhalten?

Solange ich Spaß an der Arbeit habe und der VfL noch Spaß an mir hat, kann ich mir ein Engagement und eine Tätigkeit für den VfL immer vorstellen. Aktuell beschäftigt mich das Thema aber auch nicht, jetzt geht es für uns nur um den Klassenerhalt.