Manche Menschen wissen von Kindesbeinen an, was sie wollen, und gehen ihr Weg, auch wenn er steinig ist. Die Liebe zu dem, was sie tun, lässt sie durchhalten und Schwierigkeiten meistern. Anke Zörner ist eine von ihnen.
Künstlerporträt
Wenn sie aus dem Kindergarten nach Hause kam, lief Anke Zörner zum Klavier und versuchte, die Melodien der Lieder, die sie gelernt hatte, nachzuspielen. So begann ihre Beziehung zur Musik. Bald fesselten Streichinstrumente mehr und mehr ihr Interesse. „Der Zusammenklang im Streichorchester ist einfach großartig“, findet sie. „Außerdem kann ich den Ton einer Geige unmittelbarer formen als den eines Klaviers.“ Weil Geigenlehrer jedoch am Bodensee, wo sie aufwuchs, stets ausgebucht waren, entschied sie sich für das Cello und verliebte sich sofort in dieses Instrument. Damals war sie zwölf.
Eines Tages kippte ihr geliebtes Cello um, wobei der Steg kaputtging und der Corpus an dieser Stelle eine deutlich sichtbare Macke aufwies. Sie brachte das Instrument zu einem Geigenbauer, der die Reparatur erst nicht durchführen wollte, weil er sie zu schwierig fand. Dann versuchte er es dennoch und säbelte ein kleines, aber auff ällig unschönes Dreieck in den Corpus. Anke Zörner war entsetzt. „In diesem Moment habe ich angefangen, mich mit dem Beruf des Geigenbauers zu befassen, weil ich irgend wann selbst diese hässliche Stelle reparieren wollte.“
DIE LIEBE ZUR MUSIK FÜHRTE IN DIE FERNE
Nach dem Abitur begann sie deshalb eine Ausbildung zur Geigenbauerin im Vogtland, wo sie auch Hochdeutsch lernte. „Ich schwäbele eigentlich“, sagt sie schmunzelnd, wovon man heute nichts mehr hört. Nur: „Wenn ich da unten bin, geht das ganz schnell wieder los!“, erzählt sie lachend.
Im bayrischen Mittenwald („Dort hatte ich einen Heimvorteil, weil das Bayrische und das Schwäbische ähnlich klingen“) schloss sie ihre Ausbildung mit dem Gesellenbrief ab. Anschließend ging sie nach Italien in die Neubauwerkstatt von Fabio Dalla Costa und fertigte Nachbauten bekannter Geigen Stradivaris an. „Das war das Beste, was ich machen konnte“, erzählt sie, „weil die Menschen dort meine Präzision bei der Arbeit zu schätzen wussten und mir die Zeit ließen, die ich dafür brauchte.“
In Würzburg vertiefte sie ihr Wissen über die Reparatur von Geigen, denn vom Neubau der Violinen kann man kaum leben. „Die reine Arbeitszeit an einer Geige beträgt ungefähr zwei Monate, und das Mate rial ist auch nicht günstig. Deshalb kostet ein neues Instrument von namhaften Geigenbauern so viel wie ein Kleinwagen.“ Doch auch in den Reparaturwerkstätten wurde unter Mindestlohn gezahlt. Deshalb und weil Anke Zörner außerdem mehr mit Menschen arbeiten wollte, nahm sie in Kassel ein Lehramtsstudium (Mathematik und Musik) auf, teilweise zeitgleich mit einem Studium an der dort ansässigen Musikakademie. Nach dem ersten Staatsexamen an der Uni und Vordiplom an der Akademie folgte der vorerst letzte Ortswechsel, als sie bereits hochschwanger war: Weil ihr Mann in Wolfsburg arbeitete, zogen sie gemeinsam an den Tankumsee. Hier wurde Anke Zörner bald gefragt, ob sie auch unterrichtet. Schnell kamen über Mundpropaganda weitere Geigen-, Cello- und Klavierschüler hinzu. „Zuerst wollte ich nur etwas dazuverdienen, aber heute ist der Unterricht mein erstes Standbein.“
Mit ihren 38 Jahren ist die Geigenbauerin schon weit herumgekommen und hat viel gelernt. Trotzdem ist es nicht leicht für sie, von ihrer Kunst zu leben. „Ab und zu habe ich mich gefragt, warum ich keine Banklehre gemacht habe“, erzählt sie lachend. „Aber die Kinder geben mir so viel zurück, wenn sie Spaß an der Musik haben. Oder wenn ein Instrument, das ich repariert habe, wieder gut klingt – dann bin ich doch froh, meinen Weg gegangen zu sein!“
Mehr zu Anke Zörners Geigenbau und Musikunterricht unter www.violinbau.de
ANKE ZÖRNER
HAT EIN FAIBLE FÜR AUSGEFALLENE INSTRUMENTE: SIE SPIELT AUCH DUDELSACK, DREHLEIER UND SINGENDE SÄGE.