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Samtgemeinde Meinersen

Bewegte und bewegende Argumente, die begeistern

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In Meinersen angekommen: Kaum sind die Koff er ausgepackt, macht sich Lisa Haucke vertraut mit der Umgebung des Künstlerhauses und lässt sich für neue Projekte inspirieren – Motive sind reichlich vorhanden.

Die Performance-Künstlerin Lisa Haucke verwandelt Meinersen in eine BühneSamstagmorgen beim Einkaufen. Vom Supermarkt schnell noch zur Bank durch das Gewusel anderer Leute, kommt plötzlich der Satz von Lisa Haucke in den Sinn: „Es sind die Menschen mit ihren alltäglichen Bewegungsabläufen, die den Organismus immer wieder zum Leben erwecken. Die Städteplaner sind es, die mit der Erstellung von Fußwegen, Möglichkeitsräume für das menschliche Choreografieren liefern. Kann es einen Beobachter geben, der jene Choreografien notiert?“ Also innehalten und die Bewegungen der Leute wie im Film oder auf der Bühne wahrnehmen?

Künstlerporträt

Im Rahmen ihrer praktischen Abschlussarbeit des Studiums am Institut für Performative Künste und Bildung an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig erklärte sie die Kreuzung Helmstedter Straße/Georg-Westermann-Allee kurzerhand zur Spielfläche.

„Man muss die Performance live erleben. (…) Performance ist keine materielle Kunst, die über Jahrzehnte hinweg im Museum besichtigt werden kann. Man kann sie nicht besitzen.“

Warum nicht auch in Meinersen?

Öffentlicher Raum als Ort künstlerischer Interaktion

Die Möglichkeit hat sie. Die Meisterschülerin aus der Klasse von Candice Breitz der HBK Braunschweig erhielt die Zusage für ihr im September 2018 begonnenes Stipendium des Künstlerhauses Meinersen. Dort wird sie nun das ohnehin breite Programm des Künstlerhauses durch performative Formate erweitern.

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Und das verheißt schon jetzt: Nicht das vertraute „Ah“ und „Oh“ der Gäste bei der Abschlussausstellung im Künstlerhaus. Lisa Haucke möchte die Kunst in die Samtgemeinde bringen und auch abgelegene Orte wie etwa Scheunen, Bushaltestellen, Vorgärten oder gar ein Wohnzimmer gemeinsam mit interessierten Meinersern zu Orten der Kunst erklären. Mit ihnen zusammen werden die Gäste bei der Eröffnung zu einem Spaziergang von Ort zu Ort eingeladen. „Man muss die Performance live erleben. (…) Performance ist keine materielle Kunst, die über Jahrzehnte hinweg im Museum besichtigt werden kann. Man kann sie nicht besitzen“, sagte schon Marina Abramovic, eine der bekanntesten Performance-Künstlerin der Gegenwart. „Live“ meint live, also nicht aufgezeichnet und dennoch spricht für Lisa Haucke nichts dagegen, live Erlebtes auf Video zu dokumentieren und es anschließend künstlerisch zu reproduzieren.

Ein bis ins kleinste Detail konzipiertes Gesamtkunstwerk mit mehreren Zeitebenen an unterschiedlichen Schauplätzen ließ Lisa Haucke an besagter Kreuzung 2016 in Braunschweig stattfinden. Inszeniert wurden Vergangenheit, Gegenwart und eine mögliche Zukunft dieses Braunschweiger Mikrokosmos. Dafür leitete sie eine Gruppe älterer Amateurschauspielerinnen an, engagierte Anwohner und Anwohnerinnen sowie Berufstätige vor Ort, kooperierte mit weiteren Studierenden der HBK und mit dem GRINS-Verein, der sich zum Ziel setzt, Theaterarbeit für Menschen mit und ohne Fluchterfahrung möglich zu machen.

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Sie inszenierte das Ganze auf der Straße, in den anliegenden Geschäften wie beispielsweise im Blumenladen, in einer Apotheke und im Bioladen. Aber auch im Café Kaufbar, in der Kirche St. Johannis und im Krankenhaus Marienstift waren im Rahmen des von ihr entwickelten Festivals Videoarbeiten und Performances erlebbar. Die Starting-Points der künstlerischen Auseinandersetzungen variierten hierbei von Gruppe zu Gruppe: Die Senioren der Theatergruppe beschäftigten sich vor allem mit ihren Kindheitserinnerungen und damit, wie Braunschweig für sie früher war. 

„Ein wesentlicher Fokus lag für mich in den Verknüpfungen von Alltag und Kunst, in der Schaffung von Begegnungen sowie in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeitlichkeit …“

Für die Patenschaften zwischen Bürgern und HBK-Studierenden bildete die eingeleitete Verkehrsumgestaltung der Braunschweiger Straßenkreuzung den Ausgangspunkt. Sie stellten sich die Frage, wie man sie zukünftig mit Mitteln der Kunst lebenswerter machen könnte. Fiktion und Realität gingen dabei Hand in Hand.

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Performance und Tanz: Lisa Haucke bereichert das Spektrum des Künstlerhauses Meinersen. © Photowerk (3), Lisa Haucke (1)

Lisa Haucke selbst positionierte sich in eigenen künstlerischen Arbeiten vor allem zur Gegenwart der Kreuzung. Sie wohnte zum Zeitpunkt ihres Projekts vor Ort und verknüpfte damit schon vor ihrem Aufenthalt in Meinersen Leben und Arbeiten miteinander: „Ein wesentlicher Fokus lag für mich in den Verknüpfungen von Alltag und Kunst, in der Schaffung von Begegnungen sowie in der Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Zeitlichkeit. Eine Straßenkreuzung wurde für mich ein Sinnbild dafür, dass in Transiträumen jegliches Nebeneinander des Alltags einer näheren Betrachtung bedarf, um scheinbar Bekanntes in neuen Zusammenhängen zu erfahren“, erklärt sie die Intention ihres Projekts.

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Kraft der bewegten Bilder: Mit ihren künstlerisch inszenierten Videoprojekten arbeitet Lisa Haucke in einem spannenden Genre. © Lisa Haucke (1)

Mit diesen Überzeugungen startet Lisa Haucke nun ihr Stipendium im Künstlerhaus Meinersen. Kaum angekommen, wird sie sich erst einmal mit ihrer neuen Umgebung vertraut machen. Viel Zeit wird sie jedoch nicht ungenutzt verstreichen lassen, denn ihre Devise lautet stets: „Wohnen und Arbeiten verbinden und in Kunst umsetzen“. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie sich nun ausschließlich auf den öffentlichen Raum der Samtgemeinde Meinersen konzentriert. Ihr Schwerpunkt ist der Tanz, zu dessen Fortbildung und Training sie täglich die renommierte Schule T.A.N.Z. Braunschweig von der Choreografin Sylvia Heyden aufsucht, um vor allem die Technik der Improvisation zu vertiefen. Als international gefragte Pädagogin ist Sylvia Heyden bekannt dafür, Tänzerinnen und Tänzer aller Generationen, Profi s sowie Amateure gleichermaßen zu fördern und auszubilden.

Ganz im Sinne Pina Bauschs, die ebenfalls keinen Wert auf starre Choreografien legte, wird Bewegung bei T.A.N.Z. lebendig. So wie Bausch einmal formulierte: „Es ging und geht mir immer nur darum: Wie kann ich ausdrücken, was ich fühle? Ohne Worte. Denn am Anfang war nicht das Wort, sondern Gefühl und Bewegung. Die Gemütsbewegung.“ So wird auch in dieser Schule mit den Geschichten der Tanzenden gearbeitet und ihre je eigene Persönlichkeit tänzerisch gestärkt. Vielleicht gelingt es Lisa Haucke während ihres Stipendiums, Menschen aus Meinersen ebenfalls zu bewegen, sie in Bewegung zu bringen und ihre Geschichten lebendig werden zu lassen. Sie möchte mit den Geschichten der ihr in Meinersen begegnenden Menschen arbeiten. (jv)