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Frohe Weihnachten

Eine wahre Geschichte

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Für die meisten Deutschen ist ein geschmückter Tannenbaum der symbolische Mittelpunkt des Weihnachtsfestes. Foto: © daniel stricker/pixelio.de

Jutta Valentini-Sass Der 24. Dezember begann mit herrlichem Sonnenschein. Es war trocken, kalt und klar. Es klirrte vor Kälte. Der Bauer schaute sich auf seinem Hof um. Alles war sauber, die Tiere versorgt und zufrieden. Er hatte Zeit. Aus der Küche duftete es weihnachtlich herüber, und ein wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus.   

Ein Dorf in Unterfranken; 1960er-Jahre

„Ich fahre noch mal in den Wald!“, rief er seiner Frau zu, die mit hochrotem Kopf am Herd werkelte. Es hatte geschneit, der Weg lag weiß und unberührt vor ihm, die Bäume wie von Engelshand leicht bezuckert. So schön war der vorweihnachtliche Tag schon lange nicht mehr. Er fühlte sich in die Kindheit zurückversetzt und fuhr langsam zu seinem Wald. Am Waldrand stellte er das Auto ab und machte sich zu Fuß auf in die verschneite weiße Pracht. Alles war wie verzaubert. So schritt er dahin, ganz in seine Kindheitsträume versunken...
   

Doch da, er bog um eine Kurve – ein Auto, allein, verlassen beim näheren Hinsehen. Stirnrunzelnd ging er tiefer in den Wald hinein, suchte Deckung, das Auto immer in Sichtweite. Lange stand er und lauschte in die Stille. Ab und zu knackte ein Ast oder es fiel etwas Schnee von den Bäumen. Gut, dass er sich so warm angezogen hatte. Da, er hörte Stimmen und tatsächlich näherten sich ein Mann und eine Frau. Sie stapften auf das Auto zu. Zwischen sich trugen sie eine herrliche Tanne. Unserem Beobachter stockte der Atem†– diese Tanne, sein ganzer Stolz– nun eine Leiche!
   

Unmut und Trauer zugleich stiegen in ihm hoch. Als die beiden den Baum verladen wollten, löste er sich aus seinem Versteck und ging energischen Schrittes auf die Räuber zu. Diese ließen vor Schreck den Baum fallen. Die Frau wurde blass, der Mann bekam einen puterroten Kopf. Der Bauer hatte sich wieder gefasst und sagte mit ruhiger Stimme: „Das ist mein Wald und mein Baum. Ich könnte Sie anzeigen, denn ich habe Ihre Autonummer. Aber weil heute Heiliger Abend ist, verzichte ich darauf, wenn Sie mir drei Strophen eines Weihnachtsliedes vorsingen– und dann können Sie diese Tanne als Weihnachtsbaum behalten.“
   

Die beiden überraschten „Waldfrevler“ erholten sich von ihrem Schrecken und gingen alle bekannten Weihnachtslieder durch. Sie fingen an zu streiten. Nichts passte, das eine war zu kindlich, von dem anderen konnten sie nur eine Strophe, beim nächsten waren sie sich in der Melodie nicht sicher. Endlich einigten sie sich auf „O du fröhliche“ und sangen tatsächlich, etwas zittrig und jämmerlich, alle drei Strophen. Der Bauer gab ihnen die Hand, dankte für das Lied und wünschte ihnen „Fröhliche Weihnachten!“.

   

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PS: Ich hätte den Bauern den Schlager singen lassen: „Wer soll das bezahlen?“ Grafik: © alexutemov/123RF

Im Sommer danach, Erntezeit! Wer denkt da noch an Weihnachtserlebnisse? Der Mähdrescher lief auf Hochtouren, Gewitter waren angesagt. Peng! Aus! Die alte Maschine gab mitten im Feld ihren Geist auf. Der herbeigerufene Mechaniker meinte, eine Reparatur lohne sich nicht mehr. Ein neuer Mähdrescher musste her, und zwar sofort. Der Bauer eilte zu seiner Bank, er brauchte ein Darlehen zu möglichst tragbaren Konditionen. Seine Hausbank konnte keine günstige Lösung bieten. Schnell zu einer zweiten und dritten Bank! Vielleicht hat er dort mehr Glück? Aber die Entscheidung ist dem Chef vorbehalten. Der Landwirt wird zum Direktor geführt. Der Bauer, schwitzend, niedergedrückt, den Hut in der Hand, klopft an und tritt ein. O Schreck – hinter dem Schreibtisch erhebt sich der „Sänger aus dem Weihnachtswald“! Beide stehen wie versteinert. Aber dann löst sich die Spannung. Ein gegenseitiges Wiedererkennen! Frohes Gelächter erfüllt den Raum. Das Darlehen wurde genehmigt!