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Gifhorner Wirtschaftsspiegel

Was andere Unternehmen von der Hof Isenbüttel lernen können

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Hartmut Böttcher, Manuel Schlaffke und Lars Schulz (v. l. n. r.) sorgen dafür, dass es bald wieder frisches Biogemüse aus eigener Ernte im Hofladen zu kaufen gibt. Fotos: Gesa Walkhoff

DER HOF E. V. ISENBÜTTEL

Als man Roland Bursian, Vorstand von „DER HOF – Heilpädagogischer Bauernhof und Integrative Freizeitgestaltung e. V.“ fragte, ob er sich am Steuerkreis Fairtrade-Town Gifhorn beteiligen möchte, zuckte er nur kurz aus formalen Gründen zurück. DER HOF liegt schließlich in Isenbüttel. Doch es hieß, da wir oft einen Stand auf dem Gifhorner Markt hätten, ließe sich unsere Mitwirkung vertreten“, meint er schmunzelnd.

 

Inhaltlich gibt es dagegen wohl kaum eine Institution im Landkreis, die besser dazu geeignet wäre, den Fairtrade-Gedanken im Steuerkreis mitzudiskutieren und das Gifhorner Vorhaben mit Ideen zu füllen. „Im Kern unserer Arbeit auf dem Hof geht es um Menschenwürde. Arbeit gibt Menschen Würde. Dieser Aspekt steckt auch in Fairtrade. Deshalb ist das Thema in seiner globalen Dimension teilweise neu für uns, aber nicht im wesentlichen Kern.“ Überhaupt sieht Roland Bursian das Konzept des fairen Handels in viel weiteren Dimensionen als nur in der Verantwortung der wohlhabenden Industrieländer gegenüber dem ärmeren globalen Süden: „Zum fairen Handel gehört auch, die regionalen Erzeuger zu unterstützen. Alleine schon aus Klimagründen! Frühkartoffeln aus Ägypten sind ökologisch gesehen eine Katastrophe.“ Ebenfalls eine Frage der Fairness ist es für ihn, Menschen mit Behinderungen in die Wertschöpfungskette zu integrieren und ihren Beitrag anzuerkennen.

Ein weiterer Aspekt, der ihm im Zusammenhang mit dem fairen Handel wichtig ist, ist der Nachhaltigkeitsgedanke. „Ich kann nicht nur auf fair gehandelten Kaffee schauen und dabei das Klima vernachlässigen. Die Themen sind eng miteinander verwoben. Jedem ist mittlerweile klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann und alles mit allem zusammenhängt.“ Auch das sei eine Frage der Solidarität, denn: „Corona hat uns gezeigt, dass es nicht mehr reicht, wenn jeder nur auf sich und seinen eigenen Vorteil schaut. Mit dieser Strategie fährt man vor die Wand.“

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Seit neuestem stellt DER HOF auf Wunsch auch Präsentkörbe zusammen, gefüllt mit leckeren hofeigenen Spezialitäten: Würste, Eier, Fruchtaufstrich und vieles mehr bis hin zu Biohühnerbrühe und -bolognese.

Denkanstösse

Dass es auch anders geht, sieht Roland Bursian jeden Tag in dem landwirtschaftlichen Betrieb in Isenbüttel. Er weiß, dass DER HOF durchaus wertvolle Impulse für Schüler und Lehrer, Politiker, Unternehmer und Kunden geben kann. „Der Bauernhof ist zwar kein Modell für die Landwirtschaft der Zukunft, jedoch können Schüler hier besonders gut nachvollziehen, wie Landwirtschaft funktioniert.“ Wer auf den Hof komme, lerne außerdem einen entspannten Umgang mit Menschen mit Behinderungen. So wie eine Gruppe von Betriebsräten, die den Hof vor zwei Jahren besucht und mit den Hof-Mitarbeitern gearbeitet und abends gegrillt haben. „Die Betriebsräte haben gesehen, wozu Menschen mit Behinderungen in der Lage sind.“ Außerdem könnten Hof-Besucher einen neuen Blick auf die Dinge erhalten und akzeptieren lernen, dass jeder Mensch mit seinen Besonderheiten einen Wert habe, auch außerhalb seines betriebswirtschaftlichen Nutzens. „Grenzenloses Wachstum funktioniert auf die Dauer nicht, denn es geht immer auf die Kosten anderer“, gibt Roland Bursian zu bedenken. Besonders deutlich sichtbar würde das an Menschen, die als Opfer der Leistungsgesellschaft seelische Behinderungen davon getragen hätten. Und nicht zuletzt sei DER HOF ein gutes Beispiel dafür, „dass Downsizing, einen Gang runterschalten, guttun kann“, erklärt Roland Bursian. Das hört er jedenfalls von vielen Besuchern, die sich von dem idyllischen Hof, der Freundlichkeit der Mitarbeiter und deren Gelassenheit beeindrucken lassen.

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Gunter Kaune kümmert sich unter anderem um die Pflege des Hofes und die Pferde.

Doch es gibt nicht nur Unterschiede zwischen dem Hof und anderen Unternehmen, sondern auch überraschende Gemeinsamkeiten. „Wir praktizieren Verfahren, die es auch bei Volkswagen gibt, beispielsweise Training on the Job, Jobrotation und Change-Management. Allerdings hat das bei uns oft andere Gründe.“ So dient beispielsweise ein regelmäßiger Jobwechsel zwischen dem land- und dem hauswirtschaftlichen Bereich dazu, dass die Mitarbeiter gegenseitigen Respekt für die Arbeit der anderen entwickeln und „nicht mit dreckigen Schuhen in die Kantine gehen“, wie Roland Bursian erläutert.

Fairtrade mehr als ein Label

Als Mitglied des Steuerkreises verfolgt Roland Bursian weitreichende Ziele. „Wenn es bei dem Projekt nur um die Zertifizierung Gifhorns gehen würde, würde ich nicht mitmachen“, erklärt er. „Wir wollen den Nachhaltigkeitsgedanken in Gifhorn verankern und ich bin optimistisch, dass aus dem Fairtrade-Town-Projekt noch viele weitere Aktivitäten entstehen werden. Dinge, von denen wir jetzt noch keine Ahnung haben.“ Für die Zukunft wünscht er sich, dass Fairtrade aus der Nische heraus und in der Mitte der Gesellschaft ankommt. Er möchte erreichen, dass immer mehr Kunden beim Einkauf fragen: Wo kommt dieses oder jenes Produkt her? Ist es fair gehandelt?

Daneben liegt ihm die Stärkung der Region am Herzen. „Es wäre großartig, wenn wir auch unsere nachhaltig produzierten regionalen Produkte gemeinsam besser vermarkten könnten. Unser Hof bietet beispielsweise Präsentkörbe an mit Wurst, Eiern, Brotaufstrich, Pesto und anderen Spezialitäten aus eigener Herstellung. So etwas könnte man doch auch für Spezialitäten aus Gifhorn insgesamt möglich machen!“

DER HOF E. V. ISENBÜTTEL

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25 Erwachsene mit Handicap bewirtschaften die Biolandwirtschaft mit Hofladen und Café und verkaufen ihre Produkte auf Märkten in Isenbüttel und Gifhorn.