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Samtgemeinde Wesendorf

Im unruhigen Ruhestand

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Auch ein Projekt von Bernhard Weusthoff: Das Modell des Wahrenholzer Kirchturms, das heute im Eingang der Kirche zu sehen ist.

Der lange und schwierige Weg zur Beschaffung neuer Kirchenglocken, das Wahrenholzer Dorfbuch, die Feier zum 1000-jährigen Jubiläum des Ortes oder aktuell die Erarbeitung und Umsetzung des Konzeptes „Ein Leben lang in Wahrenholz“ sind nur einige der Projekte, an denen Bernhard Weusthoff maßgeblich beteiligt war und zum Teil immer noch ist. Seine eigene Rolle dabei spielt er gerne herunter – Bescheidenheit, Respekt sowie Anerkennung für seine Mitstreiter und die Fokussierung auf die gemeinsamen Ziele sind ihm offensichtlich wichtiger, als selbst im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Etwas zu bewegen, sich einzubringen und Positives im Sinne der Allgemeinheit zu erreichen kennzeichnen den Mann, der auch im Ruhestand die Hände nicht – oder nicht nur – in den Schoß legt.Weit Gereist und Bodenständig Bernhard Weusthoff hat Feinblechner gelernt – ein Beruf, der neben handwerklichem Geschick viele Kenntnisse im Umgang mit Metallen und ihrer Verarbeitung erfordert. „Nach Ausbildung und Studium habe ich sehr schnell gemerkt, dass meine Neigung doch eher in Richtung Bildung und Qualifizierung geht“, sagt er. Relativ schnell konnte er dann seine berufliche Karriere bei VW im Bereich der Personalentwicklung beginnen. „Während meiner Tätigkeit habe ich mich um Ausbildung, Training, Bildung und Qualifizierung der Mitarbeiter gekümmert, je nachdem, was aktuell erforderlich war“, erklärt Weusthoff. Dabei habe er viele tolle und spannende Aufgaben erfüllen können, die ihn weit in der Welt herum gebracht haben. Unter anderem nach Portugal, wo er mit seiner Familie einige Jahre verbrachte. „Ich konnte dort beim Aufbau einer neuen Fabrik mitwirken, speziell bei der Personalbeschaffung, Personalentwicklung und Qualifizierung. Solch eine Erfahrung ist unbezahlbar.“ Denn in Portugal habe man praktisch bei null angefangen, der vorgesehene Standort lag mehr oder weniger „in der Wüste“, ohne Straßen- oder Bahnanschluss und ohne Energieversorgung.

Wenn der Begriff „rüstiger Rentner“ auf jemanden zutrifft, dann auf Bernhard Weusthoff: Nach einem erfüllten Berufsleben ist er mit Leib und Seele Wahrenholzer – und alles andere als auf dem Altenteil.

„Während meiner Tätigkeit habe ich mich um Ausbildung, Training, Bildung und Qualifizierung der Mitarbeiter gekümmert, je nachdem, was aktuell erforderlich war.“

Von Null auf Hunderttausend

1992 wurde mit dem Bau der Fabrik begonnen, ausgelegt auf eine Kapazität von 100000 Fahrzeugen. „Parallel dazu konnten wir in der nächstgrößeren Stadt, in Setúbal, rund 40 Kilometer südwestlich von Lissabon mit der Personalsuche, Qualifizierung und Entwicklung beginnen, bis die Fabrik dann 1995/96 lief“, berichtet Weusthoff. Bis zu dem Zeitpunkt war es gelungen, genügend Mitarbeiter zu rekrutieren und entsprechend zu qualifizieren, sodass dort die Modelle VW Sharan und zunächst auch der in weiten Teilen baugleiche Ford Galaxy vom Band laufen konnten. Später kam dann noch die Produktion des Seat Alhambra hinzu.

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Besonders spannend war für den ehemaligen Personalfachmann das Zusammentreffen der portugiesischen Mentalität und der verschiedenen Firmenkulturen: auf der einen Seite VW mit einem starken Akzent in Richtung Mitbestimmung. Und auf der anderen Seite Ford mit seiner sehr amerikanisch geprägten Unternehmenskultur. Kaum weniger spannend sei das Leben mit der Familie in Portugal gewesen. „Unser Sohn war zwei Jahre alt, als wir nach Portugal kamen. Er ist in den internationalen Kindergarten der Deutschen Schule in Estoril gegangen und zweisprachig aufgewachsen. Sprache ist das A und O in einem fremden Land – und meine Frau musste sie viel intensiver lernen als ich“, erinnert sich Weusthoff. Denn in der Fabrik sei Englisch Geschäftssprache gewesen, aber im täglichen Leben, beim Einkaufen oder im Gespräch mit der Haushaltshilfe oder Handwerkern reiche das oft nicht aus. Das Leben in Portugal hat der kleinen Familie gut gefallen, die Freundlichkeit der Leute, das angenehme Klima und die erfüllende Arbeit machten den Aufenthalt in der Fremde zu einer wertvollen Erfahrung.

„Ich bin eher bodenständig und nach den Jahren im warmen Süden freut man sich, auch wieder mal einen Winter mit Eis und Schnee erleben zu können.“

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Bewohner mit Humor: Die lustige Krähe überblickt vom Dach den Eingangsbereich.

Zurück nach Wahrenholz

Nach drei Jahren in Portugal kehrte die Familie zurück nach Deutschland und ließ sich in Wahrenholz nieder. Schwer sei ihnen das nicht gefallen, meint der Ruheständler: „Ich bin eher bodenständig und nach den Jahren im warmen Süden freut man sich, auch wieder mal einen Winter mit Eis und Schnee erleben zu können.“ In Wahrenholz war zuvor das neue Domizil der Weusthoffs gebaut worden: ein schmucker Klinkerbau auf einem großzügigen Grundstück. Wenn man Bernhard Weusthoff heute besucht, wird man stürmisch von einem ausgesprochen wachsamen, schwarz-weißen Mischlingshund empfangen. Der idyllische und sehr gepflegte Garten verrät, dass die Bewohner des Hauses nicht nur über einen grünen Daumen, sondern auch einen stilsicheren Geschmack verfügen. Man sieht, dass dies ein Zuhause ist, dessen Bewohner gerne hier leben. Ein Eindruck, der sich im Gespräch mit Bernhard Weusthoff noch vertieft: Er und seine Frau, die aus Wahrenholz kommt, haben hier ihren Lebensmittelpunkt gefunden.

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Die neuen Kirchenglocken haben Weusthoff und seine Mitstreiter lange beschäftigt.

"Das beste kommt zum Schluss"

Er habe seine Arbeit immer unglaublich gerne gemacht, aber irgendwann kam auch für ihn der Zeitpunkt, aus dem aktiven Arbeitsleben auszuscheiden, sagt Weusthoff. Um nicht von hundert auf null zu fallen wie einige seiner älteren Kollegen, habe er verschiedene Aufgaben angepackt, die überhaupt nichts mit seinem bisherigen Berufsleben zu tun hatten. „Ich habe überlegt, was ich noch tun kann und möchte. Dinge bewegen für die Menschen vor Ort beispielsweise. Außerdem ist es mir wichtig, dass das, was ich anpacke, Hand und Fuß hat“, meint Weusthoff. Und so sind, unter anderem gemeinsam mit den in Wahrenholz bekannten „Rüstigen Rentnern“, eine ganze Reihe von gemeinnützigen Projekten umgesetzt worden. Bei aller Zielstrebigkeit und Konsequenz in seinem Tun hat er sich aus seiner Zeit in Portugal aber auch eine entspanntere Sicht der Dinge bewahrt – nicht alles muss sofort erledigt werden, man sollte das Leben auch genießen.

Und so hat er sich – ähnlich wie Jack Nicholson und Morgan Freeman in dem Film „Das Beste kommt zum Schluss“ in diesem Jahr einen lang gehegten Traum erfüllt: eine Bergtour über die Alpen von Oberstor f nach Meran. Dass damit noch lange nicht Schluss ist für den rüstigen Ruhe s t änd l e r, dürfte wohl feststehen: Wer im Rentenalter das alpine Skifahren gelernt hat und jetzt noch zu Fuß die Alpen überquert, der wird sicher auch zukünftig keine „ruhige Kugel“ schieben.