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Sportbuzzer - WM 2018

Jogi Cool 

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Entspannt und selbstbewusst: Bundestrainer Joachim Löw geht mit dem DFB-Team in sein sechstes Turnier als Chefcoach.

Von Heiko Ostendorp  Es war eine Zugfahrt, die viel aussagte über das Gemüt des wohl unumstrittendsten Fußballtrainers der Welt. Nach dem Bundesliga-Topspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern im vergangenen November machte sich Joachim Löw auf den Weg ins Bistro des ICE, wo ihn eine Gruppe völlig betrunkener Fans grölend in Empfang nahm: „Es gibt nur einen Rudi Völler!“ Statt sich genervt abzuwenden, scherzte Löw mit den Anhängern, machte Selfies und schrieb Autogramme, bevor er sich mit einem Espresso in der Hand wieder auf seinen Platz zurückzog.Eigentlich steht dem wichtigsten Mann im DFB eine Limousine samt Fahrer zur Verfügung, wenn er auf Beobachtungstour geht. Löw fährt lieber Zug. Aus dem einst etwas schüchtern wirkenden Schwarzwälder ist Jogi Cool geworden.„Er ist durch den Titelgewinn so gelassen geworden, das ist unglaublich“, sagt Per Mertesacker, der 2014 unter Löw in Brasilien Weltmeister wurde. Der WM-Titel hat den Bundestrainer nicht nur entspannt, sondern auch selbstbewusst gemacht.

Ihn kann nichts mehr verunsichern: Der Bundestrainer ist Deutschlands größter TitelTrumpf.

LÖW: „MICH MACHT NICHTS MEHR NERVÖS“

Er selbst sagt mit Blick auf das Turnier in Russland: „Es gibt nichts, was mir auch nur eine schlaflose Nacht bereitet vor so einem Turnier. Mich macht nichts mehr nervös – nicht wenn Unruhe aufkommt, wenn wieder von irgendwelchen Baustellen gesprochen wird, wenn wir Verletzte haben oder die Testergebnisse nicht stimmen.“

Auch die durchwachsenen Leistungen zuletzt gegen vier große Nationen (0:0 in England, 2:2 gegen Frankreich, 1:1 gegen Spanien, 0:1 gegen Brasilien) und die 1:2-Niederlage in der WM-Vorbereitung in Österreich bereiten Löw keine Kopfschmerzen. Eines hat er in seinen zwölf Jahren als Trainer der Nationalmannschaft gelernt: Es ist besser, vor ei nem Turnier zu schwächeln als während eines Turniers. Angst vor harten Schnitten hat Löw nicht. In sein vorläufiges Aufgebot berief er 27 Spieler. Zehn Tage vor WM-Start mussten vier gehen. Neben Torhüter Bernd Leno waren das Angreifer Nils Petersen, Innenverteidiger Jonathan Tah und Flügelflitzer Leroy Sané, immerhin zweitbester Vorbereiter der vergangenen Premier- League-Saison. Hart für die Betroffenen – eine Notwendigkeit für Löw.

Die Endrunde in Russland ist für den ehemaligen Klinsmann-Assistenten das sechste Turnier als Cheftrainer. Immer schaffte es das DFB-Team unter ihm mindestens bis ins Halbfinale, 2014 gab es in Rio die Krönung im Endspiel gegen Argentinien. Nun will sich Löw die nächste Krone aufsetzen, als erster Bundestrainer möchte er den WM-Titel erfolgreich verteidigen. Das schafften bisher nur Italien 1938 und Brasilien 1962. „Wir sind Weltmeister, wir sind Confed-Cup-Sieger, wir sind U21-Europameister, von daher sind wir die Gejagten“, sagt Löw. Auf dem Weg zur Titelverteidigung wird vor allem wichtig sein, ob der Weltmeister von Rio diese Siegermentalität auch in Russland wieder in den entscheidenden Momenten abrufen kann. Hier ist Löw auch als Psychologe gefragt. „Erfahrungsgemäß war Deutschland bei den großen Turnieren immer da, dennoch sind sie in Russland für mich nicht der Favorit“, sagt Dortmunds neuer Trainer Lucien Favre und ergänzt: „Was mich am meisten beeindruckt, ist, dass Joachim Löw immer großen Wert darauf legt, Fußball aktiv spielen zu lassen – egal gegen welchen Gegner. Doch auch Deutschland wird merken, wie schwierig es ist, als Titelverteidiger in eine WM zu gehen – das hat die Vergangenheit immer wieder gezeigt.“

2022 läuft Löws neuer Vertrag aus. Erfüllt er ihn, würde er das DFB-Team auch noch bei der EM 2020, die in zwölf Ländern ausgetragen wird, und bei der Winter-WM 2022 in Katar betreuen.

JOBGARANTIE VOM DFB-PRÄSIDENTEN

Beim DFB weiß man längst, was man an Löw hat. Sein Vertrag wurde ganz bewusst kurz vor der Weltmeisterschaft bis 2022 verlängert, dazu gab es bereits eine Jobgarantie von DFB-Präsident Reinhard Grindel, der versicherte, dass Löw selbst im Falle eines vorzeitigen Scheiterns in Russland Bundestrainer bleiben werde. Ob er sich irgendwann noch einmal als Vereinstrainer probieren will, wird die Zukunft zeigen.

Und in diese blickt Löw so entspannt wie nie zuvor.