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City Magazin Wolfsburg Herbst 2021

„Museen müssen grüner werden“, so Andreas Beitin vom Kunstmuseum Wolfsburg

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Andreas Beitin, Direktor des Kunstmuseum Wolfsburg, legt Wert auf eine ökologisch nachhaltige Ausrichtung des Museums. Fotos: Marek Kruszewski

Wenn Andreas Beitin über Nachhaltigkeit und Klimawandel spricht, ist er kaum zu bremsen. Die Themen liegen dem Direktor des Kunstmuseum Wolfsburg, der seine Karriere aus Naturverbundenheit mit einer Gärtnerlehre begann, schon seit Jahrzehnten am Herzen. Viel zu lange seien ökologische Aspekte im Kulturbetrieb zu kurz gekommen, moniert er. „Museen müssen endlich grüner werden.“ Ein gemeinsamer Brandbrief von Direktorinnen und Direktoren mit der Bitte um Unterstützung sei 2019 an die Kulturbeauftragte der Bundesregierung gegangen. Die Reaktion bisher: eher verhalten.

Kunstmuseum Wolfsburg

Gerade beim Klimaschutz stecken Museen allerdings auch in einem Dilemma. „Wir haben den Auftrag, bedeutende Kunstwerke für die Nachwelt zu bewahren, sind aber verpflichtet, dies in einem engen Temperaturbereich zwischen 20 und 22 Grad Celsius zu tun und bei einer Luftfeuchtigkeit von 55 Prozent. Museen müssen also 365 Tage im Jahr rund um die Uhr klimatisiert sein und das verbraucht sehr viel Energie“, erklärt Beitin. Allein das Kunstmuseum Wolfsburg verbrauche nur für Heizung und Klimaanlage 1,8 Gigawattstunden Energie im Jahr, so viel wie rund 800 Privathaushalte.

Mit Ökostrom und LEDs

Um die Folgen fürs Klima zu mindern, bezieht das Museum seit Anfang Ökostrom. „Außerdem planen wir, die gesamte Beleuchtung auf LEDs umstellen“, berichtet Beitin. Eine eigene Solaranlage soll ab 2022 zumindest ein paar Prozent des Strombedarfs decken. „Das ist nicht viel, aber besser als nichts.“ Auch beim Reisen hat sich das Museumsteam umgestellt. „Ich selber fliege so gut wie gar nicht mehr und wir alle versuchen, Reisen zu vermeiden, wo immer es geht“, sagt der Museumsdirektor. Internationale Konferenzen und Besprechungen zum Beispiel werden auch nach der Pandemie überwiegend via Videomeetings stattfinden.

Auch die zum Teil mehrere Hundert Kilogramm schweren Kunstwerke reisen mittlerweile klimaschonender, möglichst per Seefracht statt mit dem Flugzeug. „Und wir wollen verstärkt Sammlungsausstellungen machen. Unsere Kunstwerke aus dem Depot lassen sich zu vielen Themen kreativ einsetzen. Dann brauchen wir überhaupt keinen Transport“, betont Beitin. Und das Museum spart Ressourcen, indem es für seine Ausstellungen ein komplett wiederverwendbares, frei kombinierbares Wandsystem nutzt, das zudem in der eigenen Werkstatt produziert wurde.

Vorgaben hinterfragen

Um noch mehr zu erreichen, sollten nicht zuletzt die strengen Vorgaben zum kunstwerkfreundlichen Klima in den Museen kritisch hinterfragt werden. „Es gibt ja durchaus Gemälde, die zum Beispiel jahrhundertelang in alten Palästen gehangen haben, wo es im Winter eiskalt und im Sommer sehr warm war. Und die haben das offenbar auch überstanden“, sagt Beitin. Zumindest diskussionswürdig sei auch, „ob wir wirklich alles bis in alle Ewigkeit aufbewahren wollen. Oder ob wir einen gewissen Verfall einfach akzeptieren und dann sagen: Dann ist das halt so. Die Depots der Museen platzen ja heute schon aus allen Nähten.“ Die Frage, welche Kunstwerke bleiben sollten oder vergehen könnten, sei allerdings schwer zu beantworten.

Bewusstsein schärfen

Auch inhaltlich sollten sich Museen für Klima- und Ressourcenschutz und in Sachen globale Gerechtigkeit starkmachen, ist Beitin überzeugt. Wie es das Kunstmuseum Wolfsburg zum Beispiel mit der Ausstellung zum Thema Erdöl „Oil – Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters“ tut, die am 4. September eröffnet wird. „Das Tolle an Kunst ist ja gerade, dass sie nicht so eindimensional ist. Und sie war schon immer politisch. Damit werden wir vielleicht nicht die Welt retten, aber trotzdem können wir unseren Einfluss geltend machen. Man darf nicht vergessen: Allein in Deutschland werden jedes Jahr 110 bis 115 Millionen Museumsbesuche verzeichnet, mehr als bei Sportveranstaltungen. Da kann man schon dazu beitragen, das Bewusstsein zu schärfen.“ (aho)