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City Magazin Wolfsburg Frühling 2020

Theater als ein Ort der Begegnung

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© Fernando Gregory/123RF

Rainer Steinkamp, seit August 2008 Intendant am Wolfsburger Scharoun Theater, nimmt mit Ende der Spielzeit seinen Hut. Wie er Wolfsburg, die örtliche Kulturszene und das Theatermachen in den letzten zwölf Jahren erlebt hat, erzählt er im Interview.Nach Beendigung der Spielzeit gehen Sie zurück nach Hameln. Welche neuen Projekte warten auf Sie?STEINKAMP: Ich werde wieder als Regisseur arbeiten und bin außerdem in der Jury des Monica-Bleibtreu-Theaterpreises. Außerdem möchte ich meine Erfahrungen, die sich in 40 Jahren angesammelt haben, weitergeben.

Interview Fit und gesund ins Frühjahr

Und wie erreichen Sie die Jugendlichen?

STEINKAMP: Das Jugendtheater spielt bei uns eine große Rolle. Wir konnten es in den letzten Jahren massiv ausbauen, sind Verträge mit den Schulen eingegangen. Bernd Upadek ist es als Leiter des Jungen Theaters gelungen, im Haus und auch in vielen Kooperationen, zum Beispiel mit dem Hallenbad, diesen Bereich sehr gut aufzustellen. Wir sprechen Kinder ja schon ab dem Kindergartenalter an. Im Gegensatz zur weitläufigen Meinung sind Kinder ein gutes Publikum. Sie sind unbestechlich, auch mal unruhig, aber wenn es gelingt, sie für ein Thema einzunehmen, beschäftigen sie sich intensiv damit. Dass bei uns etwa ein Drittel der 130.000 Besucher im Jahr Kinder und Jugendliche sind, zeigt, dass wir doch einen Großteil dieser Zielgruppe erreichen.

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© Gero Gerowitz

Sie sind 2008 ans Sharoun Theater nach Wolfsburg gekommen. Wie haben Sie das Haus und das Programm seitdem geprägt?

STEINKAMP: Ich glaube, ich habe ihm eine andere Ästhetik gegeben und auch andere Schwerpunkte gesetzt. In jeder Spielzeit gab es besondere Projekte, etwa das Stück über Hoffmann von Fallersleben oder die „Räuber“-Inszenierung in Zusammenarbeit mit dem Salzburger Theater. Auch der Wagner-Zyklus war so ein prägendes Projekt. Eine eigene Identität zu schaffen ist in einem Haus ohne festes Ensemble immer schwierig. Die Kooperation, die wir gleich zu Anfang mit dem Staatstheater Braunschweig eingegangen sind, war daher auch ein guter Griff. Auch Stücke mehrmals anzubieten und bestimmte Schauspieler wiederholt auf unsere Bühne einzuladen hat Akzente gesetzt.

Gab es Themen, die Ihnen besonders am Herzen gelegen haben?

STEINKAMP: Ich komme ursprünglich vom Schauspiel, aber fühle inzwischen eine zunehmende Affinität zur Oper. Durch die Musik können Emotionen ganz anders transportiert werden. Allerdings ist es in der Oper eine Herausforderung, die Lebendigkeit zu erhalten. Aber nicht meine Vorlieben sind entscheidend. Bei circa 300 Stücken pro Spielzeit muss auch Unterhaltsames dabei sein. Darüber hinaus sollte das Theater natürlich auch Stellung zu Tendenzen in der Gesellschaft beziehen, wie etwa mit dem „Nathan“, dem interreligiösen Toleranzstück schlechthin. Im Idealfall spannt sich der Bogen von sozialen Berührungspunkten – man teilt schließlich beim Theatergang eine gemeinsame Erfahrung – bis hin zur nachdenklichen oder fröhlichen Stimmung, in der man das Stück verlässt.

„… Es hat mich von Anfang an fasziniert, in einer industriegeprägten Stadt wie Wolfsburg auf so viele Theaterinteressierte zu treffen. …“

RAINER STEINKAMP

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Vorbereitung ist alles: Rainer Steinkamp mit Iris Wiengerter vom Theater Wolfsburg und Klavierstimmer Ryozo Sato vom Pianohaus Sato © Hacklaender

Also ist die Zukunft des Theaters gesichert?

STEINKAMP: Davon bin ich überzeugt. Wir stehen heutzutage vor einer Fülle von Möglichkeiten. Eine Vielzahl neuer Medien bietet uns Ablenkungen aller Art. Aber das Theater hat eine Unmittelbarkeit, die mit nichts zu vergleichen ist, und es ist ein Ort der sozialen Begegnung und des Teilens von Erlebnissen.

Wie haben Sie Wolfsburg und Wolfsburgs Kultur in Ihrer Zeit hier erlebt?


STEINKAMP: Ich habe Wolfsburg als lebenswerte Stadt erlebt. Ich fand immer die Kontraste in der Stadt interessant. Es gibt touristische Anziehungspunkte wie die Autostadt, das Phaeno oder auch die Designer Outlets, und auf der anderen Seite schöne Freizeitgebiete und dörfliche Strukturen wie in Vorsfelde und Fallersleben. Auch die Internationalität der Stadt empfinde ich als spannend. Aus kultureller Sicht bin ich von der Vernetzung der Stadt und ihrer Kulturinstitutionen untereinander beeindruckt.

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© Hacklaender

Gab es denn Begegnungen mit Künstlern oder Kollegen, die Sie nachhaltig beeindruckt haben?

STEINKAMP: Da gab es natürlich viele. Ich habe eine besondere Achtung vor dem herausragenden Talent, vor der Besonderheit, etwa im Fall von Juan Diego Flórez, einem der besten Tenöre der Welt. Es gab aber auch viele Begegnungen auf Augenhöhe. Da ist mir zum Beispiel Dieter Hildebrandt als ein ganz beeindruckender Mensch in Erinnerung geblieben.

Was wünschen Sie dem Theater und Ihrem Nachfolger für die Zukunft?

STEINKAMP: Es hat mich von Anfang an fasziniert, in einer industriegeprägten Stadt wie Wolfsburg auf so viele Theaterinteressierte zu treffen. Es steht außer Frage, dass das auch so bleibt. Mein Nachfolger wird mit vielen neuen Ideen antreten, neue Sichtweisen eröffnen. Nach zwölf Jahren ist das auch gut so. Es wird ihm sicher gelingen, auch die neuen Medien in die Theaterarbeit einzubringen. Ganz besonders wünsche ich mir, dass es gelingen wird, eine schöne Spielstätte für das Kinder- und Jugendtheater zu finden. (MZ)