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Grizzlys 2018/19

SEBASTIAN FURCHNER - „Wir alten Wolfsburger sind jetzt besonders gefordert“

SEBASTIAN FURCHNER - „Wir alten Wolfsburger sind jetzt besonders gefordert“

VON JÜRGEN BRAUN    WOLFSBURG. Nur Christoph Höhenleitner ist noch länger da als er – Sebastian Furchner geht in seine elfte DEL-Saison mit den Grizzlys Wolfsburg, zwischen den beiden Fotos auf dieser Seite liegen fast zehn Jahre. Ein Torjäger, ein nimmermüder Kämpfer, dazu ein extrem fairer Spieler, der erste, der bei den Grizzlys einen Vertrag bis 2020 bekam, der sein Karriereende letztlich aber selbst bestimmen darf und einen Anschlussvertrag fürs Wolfsburger Management hat. Furchner ist das Gesicht der Grizzlys, das Aushängeschild und nun erstmals richtig Kapitän. Das Interview.Das „C“ hatten Sie als Ersatzmann schon mal auf der Brust, nun sind Sie im elften Jahr bei den Grizzlys erstmals Vollzeit- Kapitän. Haben Sie sich dafür irgendetwas vorgenommen.Nein, überhaupt nicht. Für mich ändert sich nichts. Mit Swifty, also Tyler Haskins, als Kapitän war es so, dass wir im Mannschaftsrat und als Mannschaft gemeinsam entschieden haben, was zu entscheiden ist. Im Mannschaftssport geht es gar nicht anders. Meine Meinung habe ich zudem immer schon gesagt, daran ändert das „C“ auch nichts.

Der neue Grizzlys-Kapitän über seine elfte Wolfsburg-Saison, den neuen Trainer und Disziplin-Lehrstunden in Kaufbeuren

Worauf legen denn die Führungsspieler der Grizzlys Wert?

Ganz klar Arbeit und Disziplin. Das ist unsere Mentalität und diese haben wir uns über Jahre erarbeitet, die wollen und müssen wir jeden Tag beweisen, auf dem Eis, aber, und, vielleicht da sogar besonders, auch im Training. Aus Sicht eines erfahrenen Grizzlys kann ich sagen, dass wir alten Wolfsburger da jetzt besonders gefordert sind.

Warum?

Weil wir diesmal viele Spieler verloren haben, die zu unserem Kern gehört haben, wie Swifty, Mark Voakes, Robbie Bina und Jimmy Sharrow. Deshalb müssen wir unsere Mentalität vorleben.

Viele verdiente Spieler sind weg, der langjährige Coach auch – wie komisch war das, als sie zum ersten Mal in Wolfsburg nicht Pavel Gross zum Trainingsstart gesehen haben, sondern den neuen Chef-Coach Pekka Tirkkonen?

Als ich mit Pekka Tirkkonen in seinem Büro das erste Einzelgespräch hatte, da musste ich schmunzeln. Er fragte nach, ob ich schmunzele, weil ein neuer Trainer da sei – und ich sagte: ,Ja, das ist schon ein komisches Gefühl’.

Wir haben in Heiligendorf gebaut, wir sind Wolfsburger, ich bin hier zu Hause.

SEBASTIAN FURCHNER - „Wir alten Wolfsburger sind jetzt besonders gefordert“-2

Wie ist das Gefühl inzwischen?

Was ich sagen kann, ist: Natürlich ist das Training anders, aber es ist super, finde ich. Wir müssen wie unter Pavel Gross auch verinnerlichen: Der Trainer gibt den Takt vor, das System, die Taktik. Und wir haben zu folgen. An die Fans appelliere ich, nicht alles mit der Vergangenheit zu vergleichen. Man kann auch positiv denken: Jetzt beginnt eine neue Ära, die wir alle mitprägen können.

In den ersten Jahren dieser neuen Ära werden Sie auf jeden Fall noch dabei sein, die Ära Gross haben Sie maßgeblich mitgeprägt. Haben Sie eigentlich irgendwann mal Ihrem Berater gesagt: ’Du brauchst nichts mehr zu machen, es sei denn die NHL ruft an - ansonsten bleibe ich in Wolfsburg’?

Ich bin meinem Berater dankbar, dass ich immer noch in Wolfsburg bin (lacht). Eigentlich wollte ich ja schon im ersten Jahr weg.

Was war los?

Darüber werde ich nicht viel sagen, denn es ist erledigt. Ich sage mal, es war so, dass einiges nicht so war, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dann hat mein Berater gesagt: ,Du, der Charly Fliegauf ist ein guter Typ, sag’ ihm einfach, was dir nicht passt’. Das habe ich gemacht, der Charly hat gesagt, es sei noch eine junge Organisation, hat sich etwas Zeit erbeten. Dann wollten wir noch mal prüfen, ob sich was geändert hat. Und nun...bin ich immer noch hier. Und im Endeffekt bin ich auch meinem Berater dankbar, wie er mich damals gelenkt hat. Wir haben in Heiligendorf gebaut, wir sind Wolfsburger, ich bin hier zu Hause.

Wahrscheinlich werden Sie Ihre Rekorde in der Grizzlys-Statistik weiter ausbauen, auf 200 Tore und 400 Punkte für die Grizzlys kommen – und Sie könnten in der kommenden Saison sogar, wenn es gut läuft, schon auf 1000 DEL-Spiele kommen. Bedeutet Ihnen das was?

Einerseits schaue ich nur von Spiel zu Spiel, aber wenn ich auf das bisher Erreichte schaue, dann macht mich das schon ein wenig stolz. Für einen Spieler wie mich, der nicht mit dem größten Talent gesegnet ist, und angesichts der vielen guten Spieler, die in der Liga waren und sind, darf einen das auch ein wenig stolz machen, glaube ich. Und ich habe noch einige Tore und Spiele im Tank.

Ich appelliere noch einmal an alle, auch Geduld zu haben.

Das klingt kämpferisch...

Vor zwei Wochen habe ich zu meiner Frau gesagt, ich fühle mich richtig gut, irgendwie besser als im Vorjahr. Da hatte ich im Sommer ja eine kleine OP gehabt. Nicht dass ich danach nicht fit war, aber irgendwie fühle ich mich jetzt besser.

Wo nehmen Sie Ihre Fitness eigentlich her?

Ich trainiere im Sommer viel. Da quäle ich mich, denn ich mag dieses Spiel, ich will Eishockey spielen, Betonung auf spielen, also muss ich mich im Sommer quälen und im Herbst fit sein, damit ich auf dem Eis spielen kann und mich da nicht quälen muss.

Zugleich haben Sie jüngst im Grizzlys-Magazin verraten, dass Sie alles essen – und davon viel. Passt das zur Fitness?

Naja, ich weiß schon, was mein Körper braucht, aber es ist auch so: Wenn ich weiß, dass es zu viel war, dann ist es ein Ansporn, zu arbeiten, das auch wieder abzutrainieren.
 Sie sind inzwischen 36 – Ihr Karriereende ist zumindest absehbar. Die Meisterschaft blieb Ihnen bislang verwehrt...

...es muss schon alles für uns zusammenpassen, dass wir es schaffen können. Aber als ich hier angefangen habe, da habe ich gedacht, dass wir vielleicht nie um den Titel mitspielen. Und inzwischen haben wir dreimal das Finale erreicht.

Wie lange wollen Sie noch spielen?

Momentan habe ich das Gefühl, ich kann noch spielen, bis ich 40 bin. Und das würde ich auch tun, wenn ich der Mannschaft helfen kann. Egal, in welcher Rolle. Außer Torwart. Der Trainer wird mir sagen, wo mein Platz ist, wenn ein anderer in meiner Position besser ist, dann rücke ich in eine andere Rolle. Es sollen die besten Leute in ihren jeweiligen Positionen spielen, ich fordere sogar, dass mich einer fordert.

Ihr aktueller Vertrag endet 2020, Sie haben einen Anschlussvertrag, um ins Wolfsburger Management zu wechseln – bereiten Sie sich da schon irgendwie drauf vor?

Ich habe als Jugendlicher eine Ausbildung bei der Stadt gemacht, danach war für mich klar, dass ich mich aufs Eishockey konzentriere, bis ich nicht mehr spiele.

Wenn Sie auf Wolfsburg schauen, was in Ihrer Zeit seit 2008 passiert ist...

...dann denke ich, dass wir einen Superschritt hingelegt haben. Von Köln nach Wolfsburg, der Unterschied war brutal, aber was sich hier entwickelt hat, vom Zuschauerzuspruch her, in der Halle und im Umfeld, das ist aller Ehren wert. Klar, dazu braucht man Unterstützung, Geduld, aber auch Charaktere – bei uns haben sich viele getroffen, die unsere Sprache sprechen.

Für einen Stürmer, der regelmäßig Tore schießt, sich dafür durchsetzen und einstecken muss, bekommen Sie wenig Strafzeiten, vergangene Saison waren es 14 Minuten – hat die Fairness Methode?

Wenn ich mich wehre, nachschlage zum Beispiel, gehe ich auch mit raus, dann ist der Vorteil meiner Mannschaft weg. Sitze ich allein draußen, schade ich der Mannschaft noch mehr. Also ist es nicht clever, viele Strafzeiten zu haben. Disziplin habe ich übrigens meinem Kaufbeurer Jugendtrainer Walter Ille zu verdanken, der mich auch vom Verteidiger zum Stürmer gemacht hat. Ich hatte ihm wohl zu viel vorne rumgeturnt.

Wie war das mit der Disziplin?

Ich hatte mich wohl schon ein wenig für einen Star gehalten, habe dem Schiedsrichter nach einer Entscheidung noch etwas hinterhergerufen, habe eine Zehn-Minuten-Strafe kassiert und der Coach hat dann in der Pause gesagt, ich kann mich gleich umziehen, an dem Tag spiele ich nicht mehr. Obendrein musste ich mir dann den Rest der Partie neben meinem Vater als Zuschauer ansehen.

Die Grizzlys werden sich nicht als Titelaspirant bezeichnen, sind kein Favorit. Dass die Spieler jede Partie gewinnen wollen, ist auch klar. Also frage ich mal so: Wenn nicht Wolfsburg Meister wird, wer wird es dann?

Mannheim – oder München.

In Mannheim ist Pavel Gross nun Trainer. In Wolfsburg tritt Pekka Tirkkonen ein schweres Erbe an, zumal, Sie sagten es ja schon, auch die Mannschaft einen Umbruch hatte...

Deshalb appelliere ich noch einmal an alle, auch Geduld zu haben. Auch unter Pavel Gross gab es Phasen, wo es mal nicht lief, wo wir uns finden mussten. Das kann immer mal passieren. Und jetzt ist es auch für viele Spieler teamintern eine Umstellung. Zum Beispiel habe ich praktisch sechs Jahre lang immer mit Swifty als Center gespielt. Es wird jetzt anders, aber wenn wir bei unserem Weg bleiben, müssen wir uns keine Sorgen machen. Wir werden keine Ausreden suchen. Das ist auch etwas, das uns immer stark gemacht hat. Wer die Schuld bei anderen sucht, hat bei uns keine Chance. Diese Nummer ,der Andere ist Schuld’, die zieht bei uns nicht. Unser Weg ist der, dass auch die Führungsspieler auf ihre Leistung schauen und wenn es nicht läuft sagen: ’Ich muss besser sein, ich will besser sein’.

Am Freitag geht es in Iserlohn los...

Ich denke, wir freuen uns alle, dass es endlich losgeht. Ich bin überzeugt, dass wir in einer guten Verfassung sein werden. Man sagt zwar, dass man am Ende der Vorbereitung weiß, wo man steht, und dann kommt es doch erst einmal anders. Und dann geht es weiter und am Ende wird es wieder so sein: Wer hart arbeitet, wird belohnt!