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City Magazin Wolfsburg

Sven Knipphals: Das Leben nach dem Sprint

Sven Knipphals: Das Leben nach dem Sprint

Intensives Training und Wettkämpfe waren gestern. Heute arbeitet der 33-Jährige als Chiropraktor und Athletikcoach in Leipzig. Etwa einmal im Monat ist er in Wolfsburg zu Besuch, wo seine Sportlerkarriere begann und kürzlich endete.

Sportlerporträt


Im Sommer 2018 beendete einer der besten Sprinter Deutschlands nach 16 erfolgreichen Jahren seine Karriere, mit einem großen, prominent besetzten Sportfest im alten VfL-Stadion am Elsterweg. Heute, an einem sonnigen Tag Mitte November, sitzt Sven Knipphals im Auto, auf dem Weg zu einer Ärzte- und Physiotherapeutentagung in Darmstadt. Es wird der erste offizielle Auftritt in seiner neuen Funktion sein, als Athletikcoach und Chiropraktor der Bundestrainingsgruppe Sprint. „Dort werde ich den Sport mal von der anderen Seite aus sehen, das ist schon spannend“, sagt er.

Lieber Kraftraum als Laufen

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Insgesamt hat sich eine Menge geändert in den letzten Monaten. An ein paar Dinge muss sich das Sprint-Ass noch gewöhnen. „Als Sportler hatte ich ja das Privileg, erst um 10 Uhr mit dem Training beginnen zu müssen. Jetzt klingelt der Wecker um 6 Uhr morgens. Da hat die Normalität voll zugeschlagen“, erzählt er und lacht. Ein zweiter Wermutstropfen neben dem ungeliebten Frühstart in den Tag: Es bleibt kaum Zeit für eigenen Sport. Auf Laufen hat er allerdings gerade keine Lust, geht lieber in den Kraftraum. Dass er den beruflichen Wandel trotz kleiner Abstriche sportlich nimmt, ist ja eigentlich klar. „Ich freue mich auf die neuen Herausforderungen“, betont er. Langeweile muss er dabei nicht fürchten. Mit seiner Tätigkeit als Athletikcoach und Chiropraktor – schon seit 2013 arbeitet er als solcher in einer Leipziger Gemeinschaftspraxis – kommt er auf eine 40-, 50-Stunden-Woche.


Geblieben sind seine regelmäßigen Besuche in Wolfsburg, wo seine Karriere begann. „Meine Eltern und Großeltern wohnen ja hier und ich besuche sie etwa einmal im Monat“, sagt er. Und natürlich ist er noch VfL-Mitglied. Der Verein gehört zur Familie wie die Tartanbahn zum Sprintsport. Knipphals’ Uroma Irma Dziomba hat den Verein mit gegründet, Oma Christel war Norddeutsche Meisterin im 100-m-Sprint, Opa Hansjürgen Deutscher Meister im Feldhandball sowie Nationaltorwart und sein Vater Jens ein Weitspringer, der sechs Mal Deutscher Meister wurde.

Schreiben übers Sprinten

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Möglicherweise bekommt die Knipphals’sche Erfolgsgeschichte schon bald eine Fortsetzung. Schließlich erwarten Sven Knipphals und seine Frau Anfang 2019 Nachwuchs. Zwar ist noch nicht bekannt, ob sich der Spross eher zum Powerpaket oder zur „Couch Potato“ entwickeln wird. „Couch Potato glaube ich eher nicht“, sagt der Papa in spe. Schließlich komme eine sportliche Veranlagung von beiden Eltern. Seine Frau sei ausgebildete Tänzerin, auch wenn sie zurzeit als Betriebswirtschaftlerin vor allem am Schreibtisch arbeite.

Ein bisschen Schreibtischarbeit stand übrigens erst kürzlich auch für ihn selber an. Als er nämlich gemeinsam mit dem Stuttgarter Personal Trainer Wolfgang Unsöld das Buch „Mach dich schneller“ schrieb, einen Ratgeber für Sportprofis und -laien. Mitte Oktober sei es erschienen und ein paar Hundert Exemplare seien schon verkauft worden, berichtet der Autor. „Letzte Woche haben wir den Break Even Point erreicht, also zumindest kein Minus gemacht.“ Ab jetzt dürfen Gewinne erwartet werden.

Emotionale Momente

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Übung aus Sven Knipphals’ Buch „Mach dich schneller“. © Tim Dalhoff

Reich will Sven Knipphals damit aber nicht werden. Das sei ohnehin nie sein Antrieb gewesen, sagt er. „Ich wollte, wie die meisten Sportler, einfach trainieren können, ohne mich darum sorgen zu müssen, wie ich meine Miete oder den nächsten Supermarkteinkauf bezahle.“ Dass er selber während seiner aktiven Karriere nicht unter Existenzängsten gelitten hat, ist in seinem Sport keine Selbstverständlichkeit und auch einem geschickten Marketing der Wolfsburger Agentur „TalentEntdecker“ zu verdanken. So hat der Spitzensprinter nicht nur mit zahlreichen nationalen und internationalen Titeln Schlagzeilen gemacht, sondern unter anderem auch als „Läufer, den man mieten kann“. Die finanzielle Förderung von Amateursportlern ist ihm noch immer ein Anliegen. „In den Verbänden ist einiges in Bewegung gekommen, ich bin gespannt, was dabei in der Praxis herauskommen wird“, sagt er.

Das Ende seiner sportlichen Karriere ist nur wenige Monate her. Ob er sich schon Zeit nehmen konnte, seine Karriere Revue passieren zu lassen? „Ja, einfach weil ich schon so oft danach gefragt wurde. Aber es gibt so viele schöne, emotionale Momente, dass ich ungern einen hervorheben möchte“, sagt er und tut es dann doch. „Der vierte Platz bei der Weltmeisterschaft 2015 in Peking. Vor 80.000 Zuschauern zu laufen und mit Ikonen wie Usain Bolt auf der Bahn zu stehen, das war schon spektakulär. Wenn ich daran denke, bekomme ich noch immer eine Gänsehaut. So ein Erlebnis, das bleibt einfach für immer.“ (aho)