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Samtgemeinde Meinersen

Untergang in Grün – für die Nachwelt dokumentiert

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© Stefan Lippe u. Gabi Schönberger

Stefan Lippe und Gabi Schönberger sind einmalige Zeitzeugnisse gelungen

Nahezu alle Künstler kennen die bange Frage, bevor sie ihr Können einem Publikum präsentieren: Wie viele mögen wohl den Weg zu uns finden? Die beiden passionierten Fotografen Stefan Lippe aus Flettmar und Gabi Schönberger aus Müden rechneten eher mit einem kleinen Kreis für ihre dreitägige Fotoausstellung Ende Oktober 2017 in Müdens „Haus der Kirche“, der sie auch noch den englischen Titel „Lost Places“ gaben. Sie sollten sehr angenehm überrascht werden: Statt der erwarteten ein- bis zweihundert Gäste besuchten an den drei Tagen weit über 600 Interessierte die Ausstellung, weitere rund dreihundert wurden beim Betrachten der Exponate auf dem Weihnachtsmarkt gezählt. „Damit hat rechnerisch jeder fünfte Bewohner der Gemeinde unsere Bilder gesehen“, freuen sich die beiden Fotografen.

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„Wir gelangten an schaurig-schön verlassene Orte, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien.“

„Lost Places“ – ein Novum in der Region

Und wie sich anhand der Eintragungen ins Gästebuch feststellen lässt, befanden sich unter den Besuchern nicht nur Ortsansässige. „Auch weit Gereiste aus Goslar, Hannover, Elmshorn und Osnabrück haben sich im Gästebuch mit sehr netten Kommentaren verewigt. Sogar ein Eintrag in spanischer Sprache findet sich darin“, freut sich Stefan Lippe. Das große Interesse erstaunt umso mehr, weil der an sich schon diffuse Begriff „Lost Places“ sehr unterschiedlich gedeutet wird. Die einen verstehen darunter Fotos von Bauruinen, andere verlorene Schätze à la Indiana Jones und am wenigsten vermutet man solche im Mikrokosmos von Müden und Flettmar. Für die beiden Hobby-Fotografen, gebürtig in der Gemeinde Müden, sind die „Lost Places“ aber genau das: Orte der Vergänglichkeit in ihrer Heimat, geschichtliche Relikte in ihrer unmittelbaren Umgebung, an denen der Zahn der Zeit genagt hat und die dem Zerfall preisgegeben sind. „Die Inspiration für das Projekt kam aus dem Dorf. Weil viele wissen, dass ich gern und viel fotografiere, wurde ich gefragt, ob ich für ein neu eröffnendes Unternehmen in Flettmar nicht mal ein ganz besonderes Motiv aufnehmen könnte. Rostig sollte es sein, im Verfall befindlich und in Flettmar aufgenommen. So kam der Stein ins Rollen“, erinnert sich Stefan Lippe. Er erzählte seiner Fotokollegin Gabi Schönberger davon, und ihr fiel ein, mal von einem Autowrack im Hahnenmoor gehört zu haben. Nach langer Suche fanden sie es: eine in Jahrzehnten von der Natur absorbierte Rostlaube. Und mit diesem Foto-Objekt waren sie vom „Lost Places“-Virus befallen und beschlossen ein großartiges Fotoprojekt.

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Monatelange Recherche und gute Kontakte

Ein Dreivierteljahr lang verbrachten der gelernte Einzelhandelskaufmann und die Chemisch-Technische Assistentin so viel Zeit wie möglich damit, einzigartige Motive zu finden. Sie recherchierten lange und intensiv, folgten Spuren und Hinweisen. „Wir gelangten an schaurig-schön verlassene Orte, an denen die Zeit stehen geblieben zu sein schien, an Plätze, die irgendwann von ihren Bewohnern verlassen wurden und die beim Fotografieren noch spüren ließen, wie es gewesen sein muss, als hier noch Leben herrschte“, schildert Gabi Schönberger ihre Erlebnisse. So hielten sie mit der Kamera den morbiden Charme uralter Häuser, Scheunen und Schuppen von außen ebenso fest wie pittoreske Innenräume, die vom Plumpsklo im Schweinestall über ein altes Badezimmer, Flure und Wohnräume bis hin zu einer alten Werkstatt sehr eindrucksvoll Momentaufnahmen einer längst vergangenen Wirklichkeit ermöglichten. Und all das in einem Umkreis von nur sieben Kilometern, ausgehend von der Müdener Ortsmitte. 

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© Gabi Schönberger (2)

Fotografische Perfektion erlangen die Bilder nicht zuletzt dadurch, dass sie jeweils zum optimalen Zeitpunkt für die Aufnahmen entstanden, und durch die künstlerische Nachbearbeitung, die eine einzigartige Handschrift dieses Projekts erkennen lässt. Stefan Lippe selbst bezeichnet den artifiziellen Charakter seiner Fotografien als „digitale Malerei“.

Viel Glück gehört zum Handwerk

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© Stefan Lippe (3)

Von Fügung zu sprechen, wenn ein Foto exakt zum perfekten Zeitpunkt gelingt, halten Fotografen in der Regel nichts, steckt doch oft viel Vorbereitung und Geduld für den richtigen Moment im Gelingen eines wahren Kunstwerks. Die Aufnahmen für die „Lost Places“ von Stefan Lippe und Gabi Schönberger schienen jedoch wirklich unter einem guten Stern gestanden zu haben. „Die Orte, die wir uns als Motive aussuchten, verwahrlosten alle schon viele Jahrzehnte vor sich hin, bis wir sie fotografierten. Ob Naturgewalt oder Abrissbirne, manche von ihnen waren kurz nach den Aufnahmen dem Erdboden gleich. Wir hatten einfach eine große Portion Glück“, freut sich Stefan Lippe. Kein Wunder, dass die beiden Fotokünstler immer wieder auf weitere Motive in der Gemeinde Müden angesprochen werden, die es vielleicht gerade noch rechtzeitig zu dokumentieren gelte. (jv)