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VFL Wolfsburg 2018

Viel Feinarbeit

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Wieder unentschieden, wieder Punkte nach Führung verloren: Der VfL beim 3:3 gegen Hertha.

Was die zahlen über den VfL Wolfsburg verraten

Der VfL Wolfsburg im Liga-Vergleich: Die Statistik-Experten von OPTA zeigen auf, an welchen Stellschrauben der neue Trainer Martin Schmidt vor der Rückrunde drehen muss. Von Matthias Soiné 

VFL Wolfsburg 2018

Dass Trainer Martin Schmidt Mitte September das Ruder übernahm, hat dem VfL sichtlich gutgetan: Wolfsburgs Fans freuen sich über mehr Teamgeist, mehr Spielkultur und ein endlich erkennbares Offensivkonzept. Eines ist allerdings nicht besser geworden – das Wichtigste. Denn erfolgreicher als ein Jahr zuvor war der VfL auch unter Schmidt nicht, beschloss die Hinrunde wie in der Zittersaison 2016/17 mit nur 19 Punkten.

Der Blick auf die Daten zeigt: Es ist vor allem Feinarbeit, die auf Schmidt wartet. Denn die Grundtugenden stimmen bei Wolfsburgs Profis. Als Zweikämpfer sind sie sogar die dritt besten der Liga – ihre Quote von 51,8 Prozent gewonnener Mann-gegen-Mann-Duelle übertreffen nur Vorjahres-Vize Leipzig und Herbstmeister Bayern! Auch das Kopfball-Pendel muss bei Schmidt nicht in der vordersten Reihe der Trainingsutensilien stehen. Denn – und das ist angesichts seiner insgesamt eher dürftigen Durchschlagskraft überraschend – auch bei den Kopfballtoren mischt der VfL vorne mit. Gleich bei fünf, also fast einem Viertel ihrer 21 Treff er, machten es die Wolfsburger mit Köpfchen. Daniel Didavi (im Spiel bei den Bayern), Josuha Guilavogui (gegen Mainz), Yunus Malli (gegen Hertha), Divock Origi (in Leverkusen) und Felix Uduokhai (gegen Hoffenheim) waren hellwach und nickten ein – alle während Schmidts Amtszeit. Nur Augsburg, die Bayern und Hertha erzielten noch mehr Kopfballtreffer.

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Das wichtigste der fünf Kopfball-Tore: Daniel Didavi trifft zum 2:2-Endstand im Spiel bei Bayern München.

Schießen, und damit kommen wir zu den noch ausbaufähigen Kategorien, war dagegen nicht Wolfsburgs Stärke. Die Ballermänner der Liga trugen keine VfL-Trikots. Denn die 174 Schüsse (also ziemlich genau nur zehn pro Spiel) der Grün-Weißen werden einzig von Hertha unterboten. Da schossen die Bayern fast doppelt so oft, und selbst die punktgleichen Freiburger versuchten es gut 50 Mal häufiger als der VfL, den offenbar nicht nur der Mangel an aussichtsreichen Schusspositionen hemmte, sondern auch eine gewisse Mutlosigkeit. Bei den aus (oder nach) Standardsituationen erzielten Toren sieht‘s ähnlich aus. Auch hier zählt Wolfsburg mit lediglich sechs Treffern dieser Kategorie zum Bundesliga-Fußvolk, nur die Kellerkinder Stuttgart, Bremen und Köln waren noch einmal weniger erfolgreich. Top ist hier etwas überraschend Hertha mit gleich 15 Toren. Wer über das in der Hinrunde gestörte VfL-Verhältnis zu ruhenden Bällen nachdenkt, kommt natürlich auf die miese Elfmeter-Bilanz: Nur ein einziger von vier Strafstößen wurde verwandelt (von Paul Verhaegh gegen Leipzig), nachdem Mario Gomez (auf Schalke und gegen Hertha) gleich zweimal sowie Maximilian Arnold (gegen Hoffenheim) vom Punkt gescheitert waren. Beim Schießen und Vollstrecken ist Schmidt also auch als Psychologe gefragt, viel mehr allerdings bei der Behebung des größten Wolfsburger Problems – der Angst vor dem Gewinnen. Dem VfL mangelte es in der ersten Saisonhälfte sowohl am Mumm, bei Rück- oder Gleichständen aufs Ganze zu gehen, als auch an der Coolness, Vorsprünge über die Zeit zu bringen. So steht für die Schmidt-Elf kein einziger Sieg nach einem Rückstand zu Buche (wie für sechs andere Mannschaften auch, top ist hier Leipzig mit drei „gedrehten“ Spielen). Und in den neun Partien, in denen die Wolfsburger mindestens einmal in Führung lagen, gaben sie noch 13 Punkte ab – der zweitschlechteste Wert der Liga. Nur Hoffenheim (13 Spiele/15 Zähler) hatte noch häufiger die Spendierhosen an.

Unter dem Strich kam für den VfL so ein ungesund hoher Anteil von Unentschieden heraus. Zehn Punkteteilungen sind der dritt höchste Hinrunden-Wert der Bundesliga- Geschichte, zudem stellte Wolfsburg mit sieben den Remis-Serien-Rekord für die erste Saisonhälfte ein. Das zeigt zwar, dass der VfL (acht Spiele in Folge ungeschlagen) nur schwer zu besiegen war, aber eben auch, dass Schmidts Profis (neun Partien in Folge sieglos) viel zu selten gewonnen haben. Nur drei Dreier aus den ersten 17 Spielen – das hatte es in Wolfsburgs Erstliga-Historie noch nicht gegeben. Dass es auch nur vier Niederlagen gab (einzig in der Vizemeister-Saison 2014/15 war es noch eine weniger), ist im Zeitalter der Drei-Punkte-Regel allerdings nur ein schwacher Trost: Denn zehnmal unentschieden zu spielen statt zu verlieren, bringt zwar zehn Zähler mehr – aber zehnmal unentschieden zu spielen statt zu gewinnen, bedeutet eben 20 Punkte weniger...