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Gifhorner Wirtschaftsspiegel

Wasserkraft aus Müden: Doppelter Gewinn für die Umwelt

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Ingo Rennert setzt auf erneuerbare Energien. Foto: Ingo Rennert

Es gibt viele Möglichkeiten, Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen und damit die Umwelt und das Klima zu schonen. Dringend nötig ist es außerdem, diese Ressourcen zu erschließen, um den Einsatz fossiler Brennstoffe zu minimieren und auf die Nutzung der Atomenergie verzichten zu können.Ein Selbstläufer ist das allerdings nicht. Oftmals gibt es bei neuen Projekten viel Gegenwind von den unterschiedlichsten Institutionen, Interessengruppen oder aus der Politik und außerdem eine Menge bürokratischer Hindernisse zu überwinden. Das weiß auch der Ingenieur Ingo Rennert aus Müden an der Aller, der derzeit ein beispielhaftes Energiegewinnungs-Projekt im Bereich Wasserkraft umsetzt, das voraussichtlich ab Ende dieses Jahres Strom ins Netz einspeisen wird.

 

Klimaneutrale Versorgung

Das Allerkraftwerk wird mithilfe einer sogenannten Wasserschnecke die potenzielle Energie des aufgestauten Wassers in elektrische Energie umwandeln. Im Dezember lässt Rennert das 13 Meter lange und 55 Tonnen schwere Gerät der Firma Rehart liefern und mithilfe eines 750-Tonnen-Krans in das ehemalige Wehr einsetzen. Mit einer installierten Generatorleistung von 112 kW wird das Kraftwerk, je nach Wasserstand der Aller, Strom für 164 Dreipersonenhaushalte produzieren, und zwar klimaneutral. Im Vergleich zum CO2-Faktor des deutschen Strommixes sorgt das Allerkraftwerk damit für eine jährliche Ersparnis von 240 Tonnen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid

Geschütztes Biotop

Doch das ist nicht der einzige Nutzen des Allerkraftwerkes. Auslöser für das mittlerweile zwölf Jahre andauernde Projekt war der Wunsch, das Staurecht, das 1999, 40 Jahre nach dem Brand der alten Wassermühle erloschen war, wiederzugewinnen. „Die Stauwiesen im Oberlauf der Aller haben sich durch die jahrhundertelange Stauhaltung zu einem gesetzlich geschützten Biotop entwickelt. Zusätzlich hat der Landkreis 2018 zwischen Ettenbüttel und Gerstenbüttel ein auwaldartiges Feuchtbiotop angelegt. Damit das Naturschutzgebiet feucht bleibt, muss das Wasser gestaut werden. Derzeit regele ich den Wasserstand am alten Wehr ehrenamtlich per Hand. Ein Wasserkraftwerk jedoch kann die genaue Wasserhaltung automatisch und präzise übernehmen. Der Landkreis hat mich 2008 gebeten, ein solches Wasserkraftwerk zu beantragen“, erläutert Rennert die Hintergründe. Auf diese Weise werde das Allerkraftwerk in zweierlei Hinsicht ein Gewinn für die Natur sein: als klimafreundlicher Energielieferant und als Bewahrer des Naturschutzgebietes.

Doch selbst ein Projekt, das so viel Nutzen verspricht, muss sich offensichtlich mit Widerständen auseinandersetzen. 2008 stellte Rennert den Antrag zum Bau des Allerkraftwerkes. Sieben Jahre später wurde es planfestgestellt. Immer neue Unterlagen und teure Gutachten musste er beibringen, die das Verfahren in die Länge zogen. Besonders kostenintensiv ist ein vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit LAVES gefordertes wissenschaftlich begleitetes Monitoring, das sicherstellt, dass keine Fische durch die Wasserkraft zu Schaden kommen. Das Ziel hat auch Umweltschützer Rennert, nur: „Die drucklose Wasserschnecke mit lediglich 24 Umdrehungen ist extrem fischfreundlich. Mehrere Studien aus dem Ausland belegen das. Die hat das LAVES jedoch nicht akzeptiert.“

Der grüne Ingenieur

Der Ingenieur Ingo Rennert macht sich bereits seit Ende der 80er-Jahre deutschlandweit einen Namen durch umweltfreundliche Energieprojekte: 1989 realisierte er sein erstes Vorhaben in Müden, das 250 kW Okerkraftwerk, mittels einer Kaplanturbine. Durch die größere Fallhöhe an der Okermündung und weil der Fluss mehr Wasser führt als die Aller, versorgt dieses Kraftwerk rund 328 Haushalte mit Strom.

1993 baute Rennert zusammen mit dem Meinerser Architekten H. J. Bühring einen heute noch laufenden Fünf-Megawatt-Windpark bei Dorum mit zehn Anlagen direkt hinter dem Seedeich und beantragte ab 2000 als Erster vier Standorte für Windparks in der Nordsee mit je 80 Anlagen und einer Leistung von 1600 Megawatt zur Versorgung von 1,2 Millionen Haushalten. Gebaut wurden sie von E.ON, RWE und Innogy.

Ab 2014 sorgte der Müdener Ingenieur dafür, dass der sogenannte Suedlink, eine 625 Kilometer lange Zwölf-Gigawatt-Gleichstromtrasse vom norddeutschen Brunsbüttel bis zum unterfränkischen Grafenrheinfeld, nicht als Freileitung mit drei parallelen Mastreihen, sondern als Erdkabel umgesetzt wird. Dieser Erfolg sprach sich herum. In der Folge wandten sich mehrere Bürgerinitiativen an Rennert und baten um die Planung von Erdkabelverbindungen, um Freileitungen zu verhindern.

Wirtschaftliche Risiken

Bei fast all seinen Vorhaben sei er enorme wirtschaftliche Risiken eingegangen, denn bis eine Genehmigung zum Bau eines Windparks oder eines Wasserkraftwerks erteilt wird, muss der Unternehmer in Vorleistung treten. Ums Geldverdienen sei es ihm bei den Projekten allerdings nicht gegangen. „1982 habe ich nach der Lektüre des Buches ‚Friedlich in die Katastrophe‘ von Holger Strohm begriffen, wie gruselig Atomkraft ist“, begründet er sein Engagement. Zunächst demonstrierte er nur gegen die sogenannte friedliche Nutzung von Kernenergie. Doch 1986, nach einer Begegnung mit einem Wasserwerfer in Brokdorf, beschloss er, solche Veranstaltungen zukünftig zu meiden und stattdessen lieber selbst Kraftwerke zu bauen. „Und zwar solche, die gut für Mensch und Umwelt sind“, wie er betont.

Weitere Potenziale

Ingo Rennert sieht im Landkreis Gifhorn weiteres Umweltschutz-Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energiegewinnung. Ein besonderes Anliegen ist ihm die Verbesserung der Umweltbilanz von Biogasanlagen. „Riesige Maisfelder als Monokulturen sind für Insekten völlig unattraktiv. Dadurch sind viele Insektenarten und in der Folge Vögel und Fledermäuse vom Aussterben bedroht. Stattdessen sollten wir die Energiegewinnung aus wetterharten Wildpflanzenmischungen fördern. Zwar ist der Stromertrag um 30 Prozent geringer, aber dafür brauchen diese Pflanzen keinen Dünger, keine Pestizide, weniger Maschineneinsatz, man muss sie nicht bewässern und nur alle 3 bis 5 Jahre einmal aussäen.“