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Samtgemeinde Meinersen

„Wir sind kein Elfenbeinturm!“

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Werke von Maria Trezinski, die während ihres Stipendiums entstanden sind. Copyright Rüdiger Rodloff

Andreas Schuster, der neue Vorstandsvorsitzende

Jeder in der Gemeinde kennt das Künstlerhaus. Das idyllisch zwischen hohen Bäumen am Rande von Meinersen gelegene alte Fachwerkgebäude ist vermutlich das am häufigsten fotografierte Haus des Dorfes. Was sich hinter den rosafarbenen Mauern und dem hellgrauen Fachwerk abspielt, wissen viel weniger Menschen. Mit Kunst hat es zu tun, Menschen aus aller Welt verweilen eine Zeit lang dort und machen irgendetwas, das manchmal etwas merkwürdig anmutet. Nach einem Jahr sind diese Leute wieder weg und hinterlassen meistens ein Zeugnis ihres Schaffens – zum Beispiel eine Steinskulptur im Garten des Künstlerhauses. Auf manche mag das alles ein bisschen elitär wirken, auf andere etwas spinnert, auf jeden Fall aber ist es nicht wirklich von dieser Welt. Oder doch?Der neue Vorsitzende des Vereins Künstlerhaus Meinersen e.V. Andreas Schuster, und der langjährige künstlerische Leiter Jochen Weise glauben an Letzteres. „Früher saßen viele Künstler tatsächlich im Elfenbeinturm, um dort in ihrer Abgeschiedenheit vor sich hin zu arbeiten. Das ist heute anders. Die Künstler, die hierher nach Meinersen kommen, gehen nach draußen und suchen den Kontakt zu den Menschen vor Ort“, sagt Jochen Weise. Andreas Schuster kann das nur bestätigen: „Wie man sieht, ist das Künstlerhaus kein Elfenbeinturm, sondern ein 250 Jahre altes Fachwerkhaus. Wir verfolgen ein Öffnungskonzept, bei dem die Stipendiaten nach draußen gehen und sich zum Beispiel mit Schulen in Verbindung setzen, um Schüler an Kunst heranzuführen.“ Jochen Weise schätzt den Bezug, den die Kunst dadurch zum Gemeinwesen schafft. Er sieht darin einen starken Trend, der sich bereits seit geraumer Zeit abzeichnet und der den Zielen des Künstlerhauses entgegenkommt. „Wir wollen das Künstlerhaus noch weiter öffnen und verstehen uns als gute Gastgeber für alle Stipendiaten, aber genauso für Besucher von Ausstellungen, die wir gerne persönlich an der Tür abholen und hinein geleiten.“ Seine Idee war es deshalb auch, zusätzlich am Donnerstag zu öffnen. Dabei hat er sich an den Öffnungszeiten des gegenüberliegenden Rathauses orientiert: „Wenn die Leute nachmittags ihren neuen Personalausweis abholen, können sie danach gleich noch für ein halbes Stündchen bei uns vorbeischauen“, sagt er.  

Das Künstlerhaus und sein Öffnungskonzept

Zugänglich, aber nicht anbiedernd

Andreas Schuster ist sich bewusst, dass die Schwelle zum Künstlerhaus für manche eine sprichwörtliche ist: „Wir zeigen hier regelmäßig viele Kunstwerke, die sehr zugänglich sind. Daneben präsentieren wir aber auch Kunst, zu der man sich einen Zugang erarbeiten muss. Dennoch werden wir nicht den Weg gehen, die Kunst zu verflachen, nur um mehr Publikum zu generieren. Trotzdem ist es schön, wenn Kunst ankommt.“ Er ist überzeugt davon, dass das Künstlerhaus in Meinersen unter den Künstlerhäusern Deutschlands etwas Besonderes ist. Das werde dem Vorstand durch externe Kunstexperten gespiegelt, die zum Beispiel Eröffnungsreden bei Vernissagen halten. Das betrifft sowohl die Qualität der Ausstellungen als auch die Menge und das Interesse der Besucher. „Das Künstlerhaus hat sich einen überregionalen Bekanntheitsgrad erarbeitet“, ergänzt Jochen Weise. Beide freuen sich darüber, dass es gelingt, neben einem treuen Stammpublikum auch immer wieder neue Besucher für die Ausstellungen zu gewinnen. „Wir möchten Menschen, die zum ersten Mal die Schwelle des Künstlerhauses überschreiten, zu Fans machen“ erklärt Andreas Schuster.
  

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Die jährlich stattfindende Sommerakademie des Künstlerhauses hat sich längst zum Publikumsmagneten gemausert und zieht neben Hobbykünstlern auch viele Besucher an. Copyright Jaco van Schalkwyk, Copyright Rüdiger Rodlofft

Sommerakademie für Jugendliche, Land Art und Comics

Das Künstlerhaus öffnet sich nicht nur für Menschen, sondern auch für neue Ideen. Ein außerordentlich erfolgreicher Bestandteil des Öffnungskonzeptes des Künstlerhauses ist die jährlich stattfindende Sommerakademie für künstlerisch Interessierte aus der Samtgemeinde. Weil sie so erfolgreich ist, haben sich Kreiskunstschule und der Verein dazu entschlossen, ein neues Format für kunstaffine Jugendliche anzubieten. Es soll junge Leute, die sich an der Kunsthochschule bewerben möchten, dabei unterstützen, eine Bewerbungsmappe zusammenzustellen. „Wir hoffen, Meisterschüler der HBK dafür zu gewinnen, mit den Jugendlichen zu arbeiten und sie anzuleiten“, kündigt Andreas Schuster an.

Eine weitere Neuerung, die für das nächste Jahr geplant ist, ist die Realisierung eines Land-Art-Projektes, das sich noch im Diskussionsstadium befindet. Der künstlerische Leiter Jochen Weise ist begeistert von der Idee. „Land Art reiht sich wunderbar ein in die verschiedenen Kunstgattungen, die wir bereits präsentiert haben. Außerdem passt sie perfekt in die Landschaft und unser Öffnungskonzept. Ich denke, es wird für viel Aufmerksamkeit sorgen!“ Natürlich wird auch ein neues Stipendium ausgeschrieben, das sich mit dem Themenbereich „Zeichnen zur Zeit/Comic“ auseinandersetzt. Wer das Stipendium erhalten wird, ist noch völlig unklar. Nur eines steht bereits fest: Die Meinerser dürfen sich darauf freuen, dass auch der nächste Bewohner des Künstlerhauses seinen Elfenbeinturm verlässt und ein Projekt verwirklicht, in das die Öffentlichkeit mit einbezogen wird.

Ausstellung

„Das Künstlerhaus wandelt sich, und auch wir revidieren uns manchmal selbst“, sagt Jochen Weise. „Wer vor zehn oder 20 Jahren einmal hier war, wird heute bei uns viel Neues entdecken.“ Ein guter Grund für alte und neue Besucher, immer mal wieder vorbeizuschauen. Zum Beispiel bei der aktuellen Ausstellung: (gw)

Frank Schaefer, „hier geht’s woanders hin“ vom 19. Oktober bis zum 3. November Öffnungszeiten: donnerstags, samstags und sonntags jeweils von 15.00 bis 18.00 Uhr
  

Andreas Schuster, der neue Vorstandsvorsitzende

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„Ich bin dem Künstlerhaus seit vielen Jahren als regelmäßiger Gast bei den Veranstaltungen verbunden und wurde gefragt, ob ich den Vorsitz übernehmen würde. Da habe ich ‚Ja‘ gesagt, denn für mich ist es ein Gewinn, wenn ich der Gemeinschaft etwas zurückgeben darf.“ Andreas Schuster ist Vorstand der wirDesign communication AG mit Sitz in Berlin und Braunschweig, zuständig für Finanzen und Personal. „In meinem Beruf habe ich einiges gelernt, was mir hoffentlich auch bei diesem herausfordernden Ehrenamt helfen kann.“ Privat lebt Andreas Schuster in Sichtweite zum Künstlerhaus in Seershausen und fühlt sich dort ausgesprochen wohl.

100. Stipendiat

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Arbeit des Stipendiaten Jaco van Schalkwyk

Gerade hat der 100. Stipendiat das Künstlerhaus verlassen. Die jungen Leute kommen aus Deutschland und der Welt: Künstler aus Mexiko, Südkorea, China, Syrien, Frankreich und zuletzt Jaco van Schalkwyk und Themba Khumalo aus Südafrika hat der Ruf des Künstlerhauses nach Meinersen gelockt. Finanziert werden die Stipendien durch den Landkreis Gifhorn, die Samtgemeinde und die Gemeinde Meinersen, die Stiftung Bösenberg und weitere Sponsoren.