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15 Jahre Phaeno

„Die Wiedereröffnung im Mai war eine berührende Erfahrung“, so Wolfsburger Phaeno-Geschäftsführer Michel Junge

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Mit Robo philosophieren. © Janina Snatzke

Wolfsburg. Michel Junge ist seit 2013 Geschäftsführer im Wolfsburger Phaeno. Im Interview spricht er darüber, wie er die Zeit im Frühjahr erlebte, als das Phaeno geschlossen war, ob der für dieses Wochenende geplante 15. Phaeno-Geburtstag doch noch gefeiert wird und welche neuen Chancen sich durch das in vielen Bereichen erforderliche Umdenken während der Pandemie-Zeit ergeben.

Folgen und Chancen der Corona-Pandemie: Phaeno-Geschäftsführer Michel Junge im Interview

Das Phaeno begeht sein 15-jähriges Bestehen in Zeiten der Corona-Pandemie, deswegen müssen die vorgesehenen Feierlichkeiten ausfallen. Was bedeutet dies für das Phaeno, aber auch für Sie persönlich?

„Ein bisschen fühle ich mich wie ein Kind, dessen Geburtstagsfeier ausfallen musste. Es war bereits eine getrübte Stimmung im Team spürbar, als sich Ende Februar heraus kristallisierte, dass wir den 15. Phaeno-Geburtstag eventuell nicht wie geplant und nicht mit so vielen Gästen und Freunden wie gewohnt feiern könnten. Im Laufe der nachfolgenden Wochen und Monate schrumpfte unser bereits geplantes Programm immer mehr in sich zusammen, bis uns der erneut angeordnete Lock Down für November die Entscheidung abnahm, ob und wie wir zumindest in kleinerem Rahmen eine Geburtstagsfeier veranstalten können. Aber aufgeschoben bedeutet in diesem Fall nicht aufgehoben…“

Die Feierlichkeiten wie die Tage der offenen Tür werden also nachgeholt?

„Auf jeden Fall! Und es wird aufgrund der gegebenen Umstände ganz sicher eine besondere Geburtstags-Nachfeier, und zwar im positiven Sinn. Viele Menschen, auch wir, begreifen die derzeitige Situation nicht nur als Krise, sondern eben auch als Chance, als Impuls, um kreativ zu werden, neue Lösungen zu erarbeiten und neue Wege zu beschreiten. Es ist doch schön, dass wir nun einen Phaeno-Geburtstag einmal im Sommer feiern können – und ohne Corona wären wir auf diese Idee ja gar nicht gekommen. Wie sagte der Managementberater Reinhard K. Sprenger: ,Erfolg macht lernbehindert‘. Das Virus zwingt uns nun in vielen Bereichen zum Umdenken und zum Lernen, und daraus ergeben sich neue Perspektiven und Möglichkeiten, an die man vorher gar nicht gedacht hätte – wie zum Beispiel einen Phaeno-Geburtstag im Sommer unter freiem Himmel mit möglicherweise ganz neuen Open-Air-Programmpunkten.“

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Michel Junge, Geschäftsführer im Wolfsburger Phaeno. Foto: Archiv

Rund zwei Monate war das Phaeno im Frühjahr geschlossen. Wie haben Sie persönlich diese besondere Zeit erlebt?

„Es war bedrückend. Wenn man durch die Ausstellung geht und die Klimaanlage surren hört anstatt des fröhlichen Kinderlachens und des Menschengemurmels, dann ist das ein beklemmendes Gefühl. Neben dem Lachen sind es doch Sätze wie ,Papa, schau dir das hier an!‘ oder ,Mama, wie geht denn das?‘, die wir hier hören wollen, und die ja in gewisser Hinsicht auch unsere Existenzberichtigung sind. Abgesehen davon glaube ich, dass es eine der großen Errungenschaften der Pandemie hier in Deutschland ist, dass die Politik der Wissenschaft wieder zuhört, ihr Bedeutung zumisst und die Ratschläge der Wissenschaft wünscht und auch ernst nimmt. Meiner Meinung nach zeichnet das Deutschlands Umgang mit dem Virus aus und ist der Grund dafür, dass Deutschland im internationalen Vergleich in Bezug auf die Corona-Todesfälle besser dasteht als andere Länder.“

Als die Infektionszahlen es zuließen, durften Sie ab Mai unter Berücksichtigung der jeweils geltenden Hygienemaßnahmen die Türen für Besucher wieder öffnen. Wie war die Stimmung unter den Besuchern?

„Als wir am 16. Mai endlich wieder öffnen durften, ist mir und auch den Mitarbeitern das Herz aufgegangen. Ich habe es mir selbstverständlich nicht nehmen lassen, diesen Tag vor Ort zu sein und habe die fröhliche Stimmung nach der langen Zeit der Stille sehr genossen. Die ersten Tage waren noch geprägt von Unsicherheiten, sowohl bei uns im Team als auch bei den Besuchern. Dies hat sich aber zügig gelegt, stattdessen spürten wir schnell die Dankbarkeit der Menschen, dass sie das Phaeno endlich wieder besuchen durften – das war eine berührende Erfahrung für mich persönlich, denn es hat mir wieder ins Bewusstsein geholt, wofür ich das, was ich tagtäglich tue, eigentlich mache. Und für die einzuhaltenden Hygienemaßnahmen hatten die meisten Menschen jederzeit Verständnis.“

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So viel Spannung erleben, dass einem die Haare zu Berge stehen.© Nina Stille

Was lief in den Zeiten, in denen die Ausstellungsräume geschlossen waren, hinter den Phaeno-Kulissen? Konnte die Schließzeit „sinnvoll“ genutzt werden?

„Wir haben sehr viel gearbeitet in dieser Zeit. Wir haben eine Grundreinigung durchgeführt, Exponate komplett zerlegt, gereinigt, aufgemöbelt, bei Bedarf instand gesetzt und wieder zusammengebaut. Außerdem war es uns wichtig, den Kontakt nach außen zu den Menschen zu behalten, nach dem Motto ,Wenn ihr nicht zu uns kommen könnt, dann kommen wir eben zu euch‘. Also haben wir angefangen kleine Experimentier-Videos zu drehen – ein ganz neuer Bereich, den wir uns in unserem Haus damit erschlossen haben. Und die Nachfrage nach unseren Videos unter dem Motto „Phaeno at home“ ist enorm, sie kommen gut an, so dass wir diese Möglichkeit der Präsentation wahrscheinlich ebenso beibehalten werden wie die momentan gern genutzten Experimentier-Live-Streams für Schulklassen.“

Was bedeutet das Corona-Jahr 2020 für das Phaeno in finanzieller Hinsicht?

„Wir sind stolz darauf, dass wir uns in der Vergangenheit zu über 50 Prozent selbst finanzieren konnten. Ohne finanzielle Unterstützung ging es aber auch in der Vergangenheit nicht, und in diesem Jahr wegen der fehlenden Einnahmen erst recht nicht. Deshalb sind wir froh, dass die Stadt Wolfsburg nicht plant, den Zuschuss für das Phaeno zu kürzen, so dass wir alle laufenden Ausgaben decken können. Ein bisschen weh tut es uns, dass wir dabei auch auf Rücklagen zurückgreifen werden müssen, die eigentlich in neue Exponate oder Modernisierungen investiert werden sollten – da müssen wir eben Abstriche machen. Alles in allem sind wir aber mit einem – oder zwei – blauen Augen durch dieses außergewöhnliche Jahr gekommen.“

Wenn das Phaeno hoffentlich bald wieder öffnen darf: Was steht als nächstes auf dem Programm?

„Eine gute Nachricht ist, dass die Sonderausstellung ,Pale Blue Dot’, die in Schottland anlässlich des Edinburgh Science Festivals entwickelt wurde und die im Rahmen einer einjährigen im phaeno gezeigt wird, bis Ende Februar bei uns in Wolfsburg bleiben kann. Ursprünglich hätte sie am 13. Dezember weiterziehen sollen, so dass sie kaum jemand hätte bestaunen können. Welche unserer Planungen, die wir für das kommende Jahr natürlich bereits haben, aber auch Realität werden können, muss nun der Verlauf der Pandemie zeigen.“