Anzeige
City Magazin Frühling 2021

Auf den Zufall hoffen

Auf den Zufall hoffen Bildunterschrift anzeigen Bildunterschrift anzeigen

© Polizeiinspektion Gifhorn

Mehr als ein Vierteljahrhundert ist es her, dass zwischen Thune und Eickhorst eine Frauenleiche gefunden wurde, ihr Schädel eingeschlagen, ertrunken in einem Wasserloch. 2019 konnte sie identifiziert werden: Zakia Mansour aus Tunesien, 28 Jahre alt. So spät, weil ihr Sohn im Heimatland viele Jahre dachte, sie hätte ihn verlassen, und erst als Erwachsener eine Vermisstenanzeige aufgab. Wer sie getötet hat, ist trotz intensiver Fahndungsarbeit noch immer unbekannt.Es ist wohl der prominenteste Cold Case der Gifhorner Polizei. Der Fall erregte schon mehrfach bundesweit Aufsehen und geht auch jenen Ermittlern, die 1994 den Tatort untersuchten, einfach nicht mehr aus dem Kopf. „Das hat auch eine persönliche Ebene.

Cold Cases: Welche verbrechen Gifhorns Polizei schon seit Jahren beschäftigen

Solche Fälle liegen einem noch nach Jahren im Magen“, sagt Uwe Ramme, der den Zentralen Kriminaldienst leitet. Da sei immer die Hoffnung, dass irgendwann irgendjemand doch noch redet, dass durch Zufall ein neuer Zeuge oder ein anderer Hinweis auftaucht.

Zurzeit gebe es glücklicherweise nur zwei solcher Fälle, berichtet der Erste Kriminalhauptkommissar. Der zweite Fall ist vier Jahre alt. Im März 2017 wird beim Dorfputz in Knesebeck ein totes Baby in einer Plastiktüte entdeckt. Ramme hofft nun auf einen Zufall wie im Fall der Babyleiche am Waller See 2011. Damals brachte ein in Braunschweig gestohlenes Auto die Fahnder auf die Spur der Mutter. Im Aschenbecher fanden sie eine Zigarettenkippe mit DNA-Spuren, die mit jenen des Säuglings in Teilen übereinstimmte. Immerhin hat eine heute ausgefeilte DNA-Analytik auch andernorts zur Aufklärung prominenter Kriminalfälle beigetragen. Zum Beispiel konnte über das Erbgut aus einem viele Jahre in einer Asservatenkammer schlummernden Haar schließlich jener RAF-Terrorist entlarvt werden, der den Vorstandsvorsitzenden der Treuhandanstalt Karsten Rohwedder erschossen hatte. Und in den USA wurde 2018 der „Golden State Killer“ rund 40 Jahre nach seinen Taten doch noch dingfest gemacht. DNA-Spuren von einem Tatort des Serienmörders und Vergewaltigers führten zu Verwandten, die ihre genetischen Fingerabdrücke zwecks Ahnenforschung in einer Gendatenbank registriert hatten.

Solche Kapitalverbrechen sind zwar spektakulär, aber eher selten – auch in Gifhorn. Ungeklärt blieben vor allem Taten im Bereich Raubüberfälle, Einbrüche, Internetkriminalität und Enkeltricks, berichtet Ramme. Frustrierend sei vor allem, wenn sein Team die Täter in monatelanger, mühsamer Arbeit ausgemacht habe, die Beweise dann aber für eine Verurteilung nicht reichten. Die Aufklärungsquote der Gifhorner Polizei liege aber bei 65 Prozent, was ein sehr guter Wert sei.

Um Fälle, die schon Jahre zurückliegen, am Ende doch noch lösen zu können, sind Ramme zufolge nicht nur eine gründliche Ermittlungsarbeit, moderne Forensik und strategisch geführte Vernehmungen wichtig, sondern auch eine gute Kommunikation mit Landesbehörden und Jugendämtern zum Beispiel, und das möglichst bundesweit. Manchmal helfe es auch, junge Polizistinnen und Polizisten mal einen neutralen Blick auf die Akten werfen zu lassen. „Man kann nie ausschließen, dass man nicht doch etwas übersehen hat“, so Ramme.

Nicht zuletzt spielen die Ermittler der ersten Stunde eine entscheidende Rolle. „Sie sorgen dafür, dass ein Fall nicht in Vergessenheit gerät, und sie können quasi im Kopf Verbindungen ziehen, wenn es neue Hinweise oder Erkenntnisse aus anderen Fällen gibt“, sagt der Kriminaldienstleiter. Im Cold Case Zakia Mansour werden schon in fünf Jahren alle, die sich von Beginn an mit dem Fall befasst haben, pensioniert sein. „Ich hoffe einfach und bin auch zuversichtlich, dass wir den Täter bis dahin fassen können.“ (aho)